Greifenmagier 1 - Herr der Winde
es nur versuchst, kannst du diese Geschöpfe glauben machen, dass dich keine Drohung zu erschüttern vermag. Die Malakteir brauchen dich. Du brauchst sie nicht. Das Schwert liegt in deiner Hand.«
»Aber Drohungen können mich erschüttern«, erwiderte Kes leise, »wenn es die richtigen Drohungen sind.« Sie klang sehr müde. »Und, Jos ... was ist, wenn ich das Feuer möchte? Ich sollte eigentlich den Wunsch haben, nach Hause zurückzukehren, und manchmal wünsche ich mir das auch. Aber das Feuer ist so schön! Was, wenn ich vergesse, mir irgendetwas anderes zu wünschen als Feuer?« Sie schloss wieder die Augen und legte den Kopf in den Nacken, das Gesicht dem Himmel zugewandt.
Erneut dachte Bertaud, dass dort gleich Tränen fließen müssten; er hörte sie jedenfalls in Kes' Stimme. Diesmal glitzerten jedoch keine Tränen auf ihrem Gesicht, die dann als Edelsteine herabfielen.
Jos packte sie an der Schulter und schüttelte sie leicht. »Und Tesme? Meris? Nehoen? All die Menschen, die nach dir gesucht haben, als du in der Wüste verschwunden bist? Sie sind dein Volk! Minasfurt ist dein Zuhause. Möchtest du dich für immer von ihnen abwenden?«
»Ich weiß nicht«, flüsterte das Mädchen. Sie hielt kurz inne und gestand schließlich mit noch dünnerer Stimme: »Manchmal vergesse ich sogar Tesme! Es tut mir leid, es tut mir so leid, dass sie sich um mich sorgt ... Ich wusste ja, dass sie sich sorgen würde, und ich weiß nicht, wie ich es vergessen soll, aber manchmal ...«
»Dann tut es mir auch leid.« Jos berührte sie mit den Spitzen zweier Finger an der Wange und senkte dann die Hand langsam wieder.
Bertaud trat einen Schritt weit vor, sank auf ein Knie, um auf Augenhöhe mit Kes zu sein, und fragte sie leise: »Und Casmantium?«
Sie öffnete die Augen. Sowohl sie als auch Jos blickten Bertaud an, als hätte er Worte einer Fremdsprache geäußert, die sie beide nicht verstanden.
»Ein Heer casmantischer Soldaten in den Bergen, das sich bereithält, herabzukommen und über Minasfurt und ganz Farabiand hinwegzufegen? Ist das kein Grund, sich zu sorgen? Fragst du dich nicht, welche Absichten Casmantium verfolgt?«
»Oh!«, entfuhr es Kes. Und dann antwortete sie ganz schlicht: »Nein, ich weiß ja, was Casmantium möchte. Der König hat es mir ja gesagt. Er möchte eine neue Provinz. Er möchte eine Hafenstadt mit einem guten Hafen.«
»Terabiand!«, rief Bertaud entsetzt.
Kes nickte. »Und er möchte nicht mehr den Wegezoll entrichten. Und er behauptet, die Straße wäre in schlechtem Zustand. Aber ich denke wirklich, dass er vor allem Terabiand möchte. Und darüber hinaus so viel Land, wie er nur erobern kann.«
»Und Iaor weiß lediglich, dass Greifen hier eine Wüste erzeugt haben. Er wird von Tihannad aus anmarschieren und nur mit Greifen rechnen. Aber dann wird er die Wüste auf der einen Seite vorfinden und Casmantium auf der anderen.«
»Ihr könntet ihn warnen«, meinte das Mädchen, das ihn nicht richtig verstand. »Kairaithin würde Euch zu ihm bringen, denke ich. Er hätte ... Sicherlich hätte er es lieber, wenn die Soldaten Farabiands gegen casmantische Soldaten kämpfen als gegen sein Volk. Oder ich ... Ich könnte Opailikiita bitten, Euch zu ihm zu bringen, wenn Kairaithin es nicht tun möchte. Ich denke, sie täte es, wenn ich sie darum bäte.«
»Und ich denke«, sagte Bertaud bitter, »dass Iaor mich wohl in den Kerker werfen ließe, wenn ich - nach der Art und Weise, wie ich ihn verlassen habe - die Dreistigkeit besäße, erneut an ihn heranzutreten.«
Der casmantische Soldat warf dem Fürsten daraufhin einen Blick aus schmalen Augen zu, aber Bertaud scherte sich nicht darum. Ihn überwältigte auf einmal der schiere Unglaube an die ganzen Ereignisse der zurückliegenden Stunden. Es kam ihm unglaublich vor, dass ein Greif in Tihannad erschienen war und dass er selbst, Bertaud, ihn befreit und somit seine Treuepflicht gebrochen hatte, die ihm mehr bedeutet hatte als das eigene Leben. Das Bild von Iaors Gesicht in jenem Moment des Verrats trat ihm erneut vor Augen. Er zuckte davor zurück, starrte lieber in die Wüste hinaus und wartete darauf, dass das strahlende Licht diese Erinnerung vertrieb. Ungeachtet aller Bemühungen blieb sie jedoch.
Allerdings - hätte er Kairaithin nicht befreit ... dann wäre er nach wie vor in Tihannad, und niemand in Farabiand wüsste, dass Casmantium das Gebirge überquert hatte. Was Brekan Glansent Arobarn plante, war klar: Farabiand sollte seine
Weitere Kostenlose Bücher