Greifenmagier 1 - Herr der Winde
hier überhaupt niemanden kannte - packte ihn am Arm und trat hinter ihn, um ihn zu fesseln. Einen Augenblick lang blieb alles still. Bertaud öffnete den Mund, um etwas zu sagen, stellte aber fest, dass er keine Worte fand.
Ein junger Gardesoldat, den zweifellos der Tumult angelockt hatte, kam aus dem Gasthof. Er wirkte neugierig und leicht beunruhigt. Er schien Bertaud entfernt vertraut ... Der Fürst hatte geglaubt, alle Gardesoldaten gut zu kennen, aber dieser hier ... Dann erkannte er ihn wieder, und plötzlich wurde er von dem grotesken Verlangen übermannt zu lachen. Es war Enned, Sohn von Lakas, den er widerstrebend in die Garde aufgenommen hatte ... Vor wie vielen Tagen war das noch gewesen: vielleicht sieben, acht? Enned erkannte ihn ebenfalls wieder. Er machte große Augen.
Bertaud wollte etwas rufen. Aber in diesem Moment drehte ihm der Leutnant heftig den Arm nach oben, und Bertaud ließ seine Absicht fallen und versuchte nur, bei den Schmerzen nicht zu auffällig nach Luft zu schnappen.
»Bitte, mein Fürst«, sagte der Leutnant im Befehlston. »Ihr kommt jetzt mit und schweigt, mein Fürst.«
Enned verschwand lautlos wieder im Gasthof.
»Ich muss den König sprechen«, erklärte Bertaud.
»Das entscheidet der Hauptmann, mein Fürst.«
»Ich übernehme ihn«, sagte eine neue, viel tiefere Stimme. Eles war aus der Tür des Gasthofs getreten und hatte dabei den Kopf leicht einziehen müssen, um sich nicht am Türsturz zu stoßen. Der Gardehauptmann bedachte den Leutnant, der jetzt unglücklich wirkte, mit einem grimmigen Blick. Ein Dutzend Soldaten hatten sich inzwischen auf dem Hof des Gasthauses versammelt, und drei oder vier Gardisten folgten nun ihrem Hauptmann aus dem Haus - ein Zahlenverhältnis, das keinerlei Bedeutung besaß, da Eles anwesend war. Vom Hauptmann war nicht zu erwarten, dass er es zu einer handfesten Konfrontation zwischen Soldaten und Gardisten kommen ließe.
Der Leutnant jedoch packte noch fester zu. Er erweckte ganz den Anschein, als hätte er Eles' Befehl am liebsten widerrufen, aber er wusste, dass er dazu nicht die nötige Autorität besaß. Er sagte nur: »Ich soll Seine Gnaden zu meinem Hauptmann bringen, mein Herr, und zwar auf schnellstem Weg. So lautet mein Befehl.«
»Ich kläre das mit deinem Hauptmann«, erwiderte Eles barsch, doch der Leutnant zögerte. Der Mann hatte vielleicht noch nicht in Tihannad gedient, aber jeder kannte Eles. Manchmal nützte Eles die eigene Reputation mehr als die tatsächliche Anwesenheit. Bertaud war freilich im Moment froh, ihn hier zu sehen.
»Ihr kommt am besten mit mir, mein Fürst, wie es meine Befehle verlangen«, erklärte der Leutnant schließlich und schubste seinen Gefangenen in die Richtung, in die er mit ihm gehen wollte. Bertaud jedoch widersetzte sich.
Eles schüttelte den Kopf und seufzte; der langsam entweichende Atem brachte eine erschreckende Drohung zum Ausdruck. »Leutnant Mennad, nicht wahr?«
Der Leutnant stockte erneut und schien sich nicht wohl in seiner Haut zu fühlen.
»Ich«, fuhr Eles fort, »übernehme die Verantwortung, Leutnant.« Er wandte sich an einen seiner Leute. »Sebes, wenn du bitte Seine Gnaden begleiten würdest.«
Sebes, ein dunkler, schmaler Mann mit einer noch mürrischeren Miene als der Gardehauptmann, trat vor und legte Bertaud ganz selbstverständlich die Hand auf den Arm. »Würdet Ihr mir bitte folgen, mein Fürst?«
»Meine Befehle ...«, versuchte es der Leutnant noch einmal mit matter Stimme.
»Ich trage die Verantwortung«, sagte Eles ohne jede besondere Betonung.
Bertaud hätte gern selbst die Fähigkeit besessen, mit so wenig Aufwand eine solch grimmige Selbstsicherheit zu demonstrieren. Aber es schien nicht möglich zu sein, so etwas nachzuahmen.
Der Leutnant fügte sich schließlich in das Unausweichliche und ließ Bertaud los.
Wie dieser wenige Augenblicke später bemerkte, hatte die Garde das erste Stockwerk des Gasthofs für sich beansprucht. Zumindest folgten alle Gardisten dem Hauptmann und Bertaud die Treppe herauf, während keiner der regulären Soldaten dies tat. Niemand rührte Bertaud mehr an, nachdem sie die Soldaten losgeworden waren. Sobald sie jedoch oben eingetroffen waren, wandte sich Eles nach Bertaud um, der sich so gezwungen sah, stehen zu bleiben. Einen Augenblick lang betrachteten sich die beiden Männer gegenseitig, ohne dass einer von ihnen ein Wort sprach. Ringsum wahrten die übrigen Gardisten ein unbehagliches Schweigen.
»Fürst
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