Grenzen setzen – Grenzen achten
all die Menschen sein, die ständig etwas von mir wollen. Und auch diese Reaktion ist ein Zeichen dafür, dass ich meine eigene Grenze nicht akzeptiere: Lieber werde ich böse auf andere, als mir meine eigene Beschränktheit einzugestehen.
Schuldgefühle klären
Eine Altenheimleiterin hat sich für die Heimbewohner verausgabt. Sie hat ständig ihre Grenzen überschritten. Doch sie begründete ihren pausenlosen Einsatz mit dem Willen Jesu, derdoch wolle, dass für die Armen und Kranken gesorgt wird. Mit dieser religiösen Begründung verdeckte sie ihr eigentliches Bedürfnis. In Wirklichkeit hat sie sich so verausgabt, weil sie Anerkennung suchte. Doch sich das einzugestehen, würde Demut erfordern. Dagegen ist es viel einfacher, das Bedürfnis nach Anerkennung hinter einer positiv klingenden Ideologie zu verstecken. Aber die Seele diese Frau rebellierte und zeigte ihr auf, dass ihr spiritueller Anspruch nicht dem Willen Gottes, sondern der eigenen Suche nach Beliebtsein entsprang. Dies führte sie in die geistliche Begleitung. Sie erzählte, sie könne ihr eigenes Herz nicht mehr spüren. Sie habe das Gefühl für die Sprache ihrer Seele verloren. Sie könne nicht mehr auf die innere Stimme hören. Die fromme Ideologie hatte ihre Ohren verschlossen, so dass sie die leisen Stimmen Gottes in ihrem Inneren nicht mehr vernahm. In einer solchen Situation ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen: Jesus ging eine ganze Nacht auf den Berg, um sich im Gebet zu öffnen und um Gottes Stimme in der Einsamkeit und Stille zu erhorchen.
Ein viel beschäftigter Bürgermeister schrieb in einem Brief, dass er physisch und psychisch an seine Grenzen gekommen sei. Er sei gerne in seinem Amt und auch damit zufrieden, Ansprechpartner für viele zu sein. Doch er spüre, dass er sich nicht mehr überregional engagieren möchte. In dieser Situation bekam er von seinen Parteifreunden zu hören, er sei egoistisch, er denke nur an sich. Man kam ihm sogar mit frommen Argumenten: Gott wolle, dass er Verantwortung für die Gesellschaft übernehme. Solche Vorhaltungen hatten in ihm ein schlechtes Gewissen ausgelöst. Vielleicht möchte Gott doch, dass er sich über seine Grenzen hinaus für andere engagiere. Jeder von uns ist empfänglich, wenn man ihm etwas zutraut. Und wir neigen auch dazu, Schuldgefühle, die uns von außen eingeimpft werden, zu verinnerlichen. Wir können uns kaum dagegen wehren.Und doch: Das muss man aushalten. Auch und gerade weil Schuldgefühle quälend sind, muss man sich ihnen stellen und damit zugleich zu seinen eigenen Grenzen stehen. Ich habe keine Garantie, ob ich mich nicht noch mehr engagieren könnte und sollte. Und ich kann nicht mit Gewissheit sagen, was Gottes Wille ist. Aber ich muss mir erlauben, meinem eigenen Gespür zu folgen. Wenn ich einen starken Widerstand gegen mehr Verantwortung in mir fühle, dann darf ich darauf vertrauen, dass das Gottes Wille ist. Ich weiß selbst um mein Maß. Was mein Maß ist, das darf ich mir nicht von anderen vorschreiben lassen. Ich muss meine Grenze verteidigen und darf dabei auch riskieren, dass ich von Parteifreunden, die ihre Interessen verfolgen, oder von meiner Umgebung als egoistisch beschimpft werde.
Vielleicht haben die Menschen in meiner Umgebung ein gutes Gespür dafür, wie sie mich „herumkriegen“. Sie brauchen mich nur zu loben und zu sagen, dass keiner etwas so gut könne wie ich. Und schon lasse ich mich zu etwas überreden, was ich bei ruhigem Nachdenken nie getan hätte. Die anderen merken, wo meine Achillesferse ist, an der sie in mich eindringen können. Irgendwann werde ich dann ärgerlich auf sie. Ich bin böse auf die vielen Menschen, die etwas von mir wollen. Aber wenn ich ehrlich bin: eigentlich bin ich böse auf mich selbst. Die anderen Menschen haben ja das Recht, mich zu fragen, ob ich das oder jenes tun könne. Ich habe allerdings auch das Recht, nein zu sagen und mich zurückzuziehen, wenn ich es brauche. Ich muss mich dafür auch nicht entschuldigen und ich bin keine Rechenschaft schuldig. Ein evangelischer Pfarrer erfuhr allerdings, wie schwer es fällt, aus diesem Rechtfertigungsdruck auszubrechen. Er hatte es jahrelang allen in der Gemeinde recht machen wollen. Doch nun entdeckte er für sich die Spur der Kontemplation. Er spürte ein tiefes Bedürfnis, in die Stille zu gehen und zu beten. Das brachte ihn jedoch in einen heftigen Konflikt mit derGemeinde. Sie verstand gar nicht, dass ihr Pfarrer Zeit zum Gebet brauchte. Aber im Gebet
Weitere Kostenlose Bücher