Grenzen setzen – Grenzen achten
Er erkennt, dass er nicht jeden Bittsteller abweisen kann. Es kostet zuviel Energie, jedem nein zu sagen oder jedem zu erklären, dass man gerade die Zeit für sich braucht. Er fährt mit den Jüngern an einen Ort, an dem er mit ihnen allein ist. Dort können sie in aller Ruhe erzählen, wie es ihnen ergangen ist. Und sie können sich ausruhen, wieder neue Kräfte sammeln. Er sucht sich also einen äußeren Schutzraum, um sich von den Menschen abzugrenzen. Er braucht ihn, um mit den Jüngern allein sein zu können und um Zeit für den Austausch zu haben. Jesus hat ebenfalls Bedürfnisse und ist nicht grenzenlos belastbar. Ein Kinderbuch hat das auf humorvolle Weise zum Ausdruck gebracht: „Jesus nimmt frei“ heißt dieses Buch. Es schildert, wie Jesus sich verausgabt hatund nun beschließt, einfach für einige Zeit auszusteigen und sich Zeit für sich zu nehmen. Er wandert durch die Landschaft und genießt den Ausblick. Er schlägt Räder und freut sich an seiner Bewegung. Er sieht mit neuen Augen den Sonnenaufgang und den Sonnenuntergang. Auf einmal bekommt er ein schlechtes Gewissen, weil er meint, er müsse doch für die Menschen da sein. Sie würden ihn brauchen. Sein himmlischer Vater aber zeigt ihm, dass überall dort, wo er aus lauter Freude Räder geschlagen hat, Quellen entsprungen sind. Und dort, wo er stehen geblieben ist, um die Sonne zu betrachten, waren Blumen aufgeblüht. Und er merkt, dass seine freie Zeit nicht umsonst war, sondern mehr Segen gebracht hat als sein angestrengtes Tun.
Konkrete Hilfen
Ich ärgere mich jedes Mal, wenn ich mich von jemandem zu etwas überreden lasse, was ich eigentlich gar nicht wollte. Inzwischen habe ich einige Strategien entwickelt, die mich vor dem Ärger über mich selbst bewahren und mir helfen, mich besser und konsequenter abzugrenzen. Die erste Strategie ist, dass ich am Telefon nie sofort zusage, sondern erst eine Bedenkzeit erbitte. Dann habe ich Zeit, meine Gefühle zu sortieren. Was spricht dafür? Ist es sinnvoll, dorthin zu gehen? Habe ich Lust dazu? Wehrt sich alles in mir dagegen? Fühle ich mich ausgenutzt? Ich höre dann auf mein Gefühl. Wenn ich in mir Ablehnung und Widerstand spüre, kann ich am nächsten Tag klar absagen.
Eine andere Strategie ist für mich, klare Tabuzeiten für mich zu reservieren. Früher habe ich auch am Sonntagnachmittag noch Gespräche angenommen. Es gab keinen Grund, nein zu sagen, wenn jemand ein Gespräch haben wollte. Jetzt habe ich mir denSonntagnachmittag und einen Abend in der Woche reserviert. Wenn jemand eine Bitte hat, kann ich deutlich nein sagen. Zu diesen Zeiten nehme ich nichts an. Das ist die Zeit des Rückzugs, in der ich nicht erreichbar bin. Jeder braucht in seinem Leben solche Tabuzonen, die ihm heilig sind. Das Heilige ist das, was der Welt entzogen ist. Rituale können helfen, solche Zonen zu schützen. Sie schaffen einen heiligen Raum, der von ständigen entfremdenden Anforderungen, die auf uns einstürmen, befreit ist. Die Zeit, die ich mir für mich reserviere, ist in diesem Sinn eine heilige Zeit, weil sie für mich einen Wert hat, den ich mir von keinen anderen Werten streitig machen lasse. In dieser heiligen Zeit vermag ich aufzuatmen, da komme ich in Berührung mit mir selbst und da bin ich in Berührung mit Gott. Da spüre ich, wie ich heil und ganz werde. Die heilige Zeit tut mir gut. Sie heilt meine Wunden. Sie klärt in mir, was sich an Trübem angesammelt hat.
Gott hat dem Volk Israel die heilige Zeit des Sabbat geschenkt. Der Sabbat ist dazu da, dass das Volk sich ausruht und sich dem Terror der Termine entzieht. Doch Gott fordert das Volk auch auf, den Sabbat zu heiligen. Das Heilige muss geschützt werden. Sonst verliert es seine heilende Wirkung. Für Christen ist der Sonntag der heilige Tag. In unserer Zeit, in der wirtschaftliche Interessen und gesellschaftliche Strömungen den Sonntag immer mehr aushöhlen möchten, ist es umso wichtiger, dass wir den Sonntag für uns heilig halten, als eine Zeit, in der niemand über uns bestimmen darf, in der wir das tun dürfen, was unserer Seele und unserem Leib gut tut. Viele Leute stopfen auch den Sonntag mit Aktivitäten zu. Sie verfälschen damit den Sinn des Sonntags, an dem wir uns bewusst abgrenzen von anderen und den Aufgaben und Erwartungen, die uns von außen angetragen werden.
Eine dritte Strategie ist, die Anfragen mit jemand anderem zu besprechen. Dann sehe ich klarer, wie wichtig das Anliegen ist. Indem ich es anderen erzähle,
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