Grenzen setzen – Grenzen achten
Bemerkungen wie: „Der hat schon immer seine Nase zu hoch getragen. Der glaubt immer, alles besser zu wissen.“ Menschen, die sich ein zu hohes Bild von sich selbst machen, beginnen, sich ein Lebenshaus zu errichten, für das die Mittel ihrer Intelligenz, ihrer Willenskraft und ihrer psychischen Möglichkeiten nicht ausreichen. Ein Fall, der gar nicht so selten vorkommt: Da steigt jemand auf der Karriereleiter höher, als es seiner Fähigkeit entspricht. Er wird nicht zugeben, dass er mit der Aufgabe überfordert ist, sondern sich nach außen hin selbstbewusst aufspielen. Er verbraucht seine Energie, um die Fassade eines selbstsicheren Menschen aufrechtzuerhalten. Doch hinter der Fassade ist ein kleines, ängstliches Ich. Weil dieses kleine Ich sich nicht blamieren möchte, hält es an der Fassade fest. Irgendwann bricht das Kartenhaus zusammen. Der nach außen hin so Selbstsichere erfährt dann kein Mitleid, sondern erntet nur noch Spott. Für ihn gilt, was das Klagelied sagt: „Er findet keinen Tröster.“
Realistische Selbsteinschätzung
Damit mein Leben gelingt, muss ich mich in meiner Begrenztheit erkennen, annehmen und lieben. Mein geistiges und seelisches Potential ist nun einmal beschränkt. Ich kann und sollzwar versuchen, diese Grenzen zu erweitern, aber das geht nicht beliebig. Mein Körper hat Grenzen. Es gibt körperliche oder seelische Grenzwerte, die, wie Erni sagt, „bei Missachtung zur Selbstzerstörung führen“. Wenn ich mich ständig überfordere, dann werde ich irgendwann eine Grenze überschreiten, die zur Krankheit führt.
Ein Grund, sich zu überfordern, ist das ständige Sich-Vergleichen mit anderen. Ich habe kein Gespür für meine Grenzen, weil ich von mir fordere, genauso viel zu arbeiten wie der Nachbar oder genauso viel Geld zu verdienen wie ein Bekannter. Wer jahrelang auf diese Weise und aufgrund einer solchen Motivation über seine Verhältnisse lebt, der schadet sich selbst. Seine Seele und sein Leib werden rebellieren und ihn auf diese Weise zwingen, innezuhalten.
Psychologen kennen das Phänomen des psychischen Dekompensierens: Menschen haben ihre emotionale und psychische Grenze nicht bedacht. Sie haben andere zu nahe an sich herankommen lassen. Oder aber sie haben die äußere Belastung nicht wahrgenommen. Sie haben immer weiter gearbeitet, ohne auf ihre psychische Grenze zu achten. So sind sie unfähig geworden, sich in ihrer Begrenztheit überhaupt noch wahrzunehmen. Sie wundern sich, dass der Körper auf einmal heftig reagiert, und weigern sich, die Signale des Körpers ernst zu nehmen. Aber auf einmal können sie nicht mehr schlafen. Sie sind nicht mehr fähig abzuschalten. Sie haben den Eindruck, die ganze Welt stehe still oder gehe bald unter. Sie können ihre Psyche nicht mehr steuern. Maßlosigkeit macht krank. Realismus im Blick auf die eigenen Möglichkeiten kann solche Krankheiten verhindern.
Das Burnout-Syndrom: Zwei Gegenmittel
Heute spricht man vom „Burnout-Syndrom“. Es ist besonders häufig zu beobachten bei Menschen in sozialen Berufen: bei Lehrern, Seelsorgern, Ärzten bzw. im Pflegeberuf Tätigen oder bei Psychologen. Nur wer brennt, kann ausbrennen. Sozial tätige Menschen haben oft ein hohes Ideal. Sie möchten ganz für andere da sein. Doch ihr Ideal macht sie nicht selten blind für ihre eigenen Bedürfnisse. Sie geben ständig, aber empfangen kaum etwas. Am Anfang ihrer Tätigkeit macht es ihnen Spaß, sich für andere hinzugeben. Wenn ihr Einsatz aber nicht entsprechend honoriert oder gar ausgenutzt wird, dann reagieren sie mit Bitterkeit, Zynismus und Ironie. Weil sie auf sich zu wenig geachtet haben, werden sie auf einmal hart, nicht nur zu sich selbst, sondern auch zu denen, denen sie eigentlich helfen möchten. Ihr Idealismus ist verflogen. Zurück bleibt Enttäuschung und das Gefühl, ausgenutzt worden zu sein.
Es gibt zwei Gegenmittel gegen dieses „Ausbrennen“. Das erste Mittel bezieht sich auf äußere Faktoren. Ich muss mein Maß erkennen, innerhalb dessen ich geben kann. Ich muss die Signale meines Körpers spüren, wenn es mir zuviel wird und ich mich im buchstäblichen Sinn „verausgabe“: Ich brauche die Fähigkeit, mich abzugrenzen. Ich muss lernen, mir freie Zeiten zu reservieren, die für mich heilig sind. Und ich muss das Maß meiner Arbeit beschränken. Ich muss wissen, wie viel ich mir zumuten darf. Dabei darf ich durchaus auch einmal über meine Grenze gehen. Denn wo meine Grenze liegt, erkenne ich erst, wenn ich
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