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Grenzfall (German Edition)

Grenzfall (German Edition)

Titel: Grenzfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Kröger
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Kreuzberg
Berlin, Deutschland
    Okay, zweiter Versuch.
    Gestern Abend hat es nicht gut angefangen. Jasmin hat Nick und Mattie zum Essen eingeladen, in ein neues französisches Restaurant im Vorderhaus, wohin sie das Babyfon mitnehmen konnten. Mattie hat das feine Essen achtlos in sich hineingestopft, so hat es Jasmin jedenfalls später behauptet, sagt Nick. Und den teuren Wein hat sie runtergekippt wie Wasser. Jasmin musste kurz hoch, um Azim zu beruhigen. »Lass doch, Schatz, genießt ihr mal euer Wiedersehen, ich mach das schon.« Schatz! Also, Jasmin musste kurz hoch, da hat Nick auch mindestens eine halbe Flasche allein gekillt. Als sie wiederkam, hatten die Kicheranfälle schon angefangen.
    »Mattie, zeig noch mal, wie Kamal dastand.« Mattie ist aufgestanden, hat die Arme verschränkt und voll auf dicke Hose gemacht. Plötzlich hat Nick so komisch geguckt. Jasmin stand direkt hinter ihr.
    Jetzt hat sie einen Kater. Die Sonne scheint brutal in die offene Küche. »Hat sie sonst noch was gesagt – Schatz?« Mattie hebt die Glastasse mit dem verschiedenfarbigen Latte Macchiato direkt vor die Augen. Nicht schlecht. Schmeckt auch.
    Nick läuft schon die ganze Zeit mit Azim in der Küche auf und ab. »Nein, hat sie nicht. Sei doch nicht so gemein.«
    »Ich? Gemein? Wenn du dich erinnerst, hab ich Jasmin in unser beider Leben gebracht. Sie war eine coole Nummer. Eine junge Frau mit Idealen. Nicht so ’ne Tussi vom Auswärtigen Amt.« Oh nein, nicht schon wieder. Sie ist im Zerstörungsmodus gelandet und kann nicht mehr raus. »Kannst du nicht mal aufhören, dauernd hin und her zu laufen? Du machst mich ganz schwindelig.«
    Nick bleibt stehen. Azim fängt an zu schreien. Mattie hält sich die Ohren zu.
    »Bitte nicht. Mein Kopf.«
    Nick läuft wieder los. Auf und ab. Auf und ab.
    Nachdenken. Sie muss nachdenken. Hier geht das nicht.
    »Ich muss mal kurz runter zum Bus. Hab noch was vergessen.« Nick sieht sie misstrauisch an. Der mit seinem ›Ich kann Matties Gedanken lesen!‹ Soll er doch lesen. Sie stellt die halbvolle Tasse ab und läuft los. Die Treppen runter, auf die Straße. Links rum.
    Der Bus parkt direkt an der Spree. Irgendwelche Touristen aus dem Bootshostel stehen da rum. »Que lindo!« Das Mädchen versucht, durch die Scheiben ins Innere des Busses zu sehen.
    Ego Shooter aktivieren. Destruction.
    »Fuck off, you assholes!« Die Gruppe spritzt auseinander. Mattie stampft auf die Fahrerseite, pult ihren Schlüssel aus der Jeans und steigt ein. Tür zu. Endlich allein. Sie lässt sich auf das Bett fallen. Schade, dass Mascha nicht mehr da ist. Die alte Hündin rennt jetzt über saftige Wiesen im Hundehimmel.
    »Guys, have a look.« Direkt vor ihr taucht ein bärtiges Gesicht auf, Marke Holzfäller. Sie zieht die Gardine vors Fenster. »That’s awesome!«, hört sie trotzdem.
    Das geht so nicht.
    Sie braucht einen Platz in dieser Stadt. Ihren Platz. Nicht wie ein Hund unter dem Tisch von Monsieur Nick und seiner Diplomatenfamilie. Wuff! Danke für den Knochen. Und erst recht nicht als lebendes Ausstellungsstück. Treten Sie näher! Norddeutsches Halbblut, kurz vor vierzig, ungebunden, kinderlos, ohne festen Wohnsitz. Sehr anhänglich. Vorsicht, beißt!
    Mattie steht wieder auf und schlängelt sich durch die Kistenstapel in den hinteren Busteil. Wo ist der Karton mit den Wertsachen? Ein eher kleiner Schuhkarton. Ihr Reisepass, Geburtsurkunde, Zeugnis, ein paar Münzen, die Hinnarck ihr geschenkt hat, seine goldenen Manschettenknöpfe.
    Fünf Minuten später steht sie wieder bei Nick in der Küche. »Kann ich die hier irgendwo unterstellen?«
    Nick bleibt stehen. Azim schreit.
    »Mattie, du kannst doch nicht einfach wieder …« Plötzlich sieht er wieder aus wie Nick. Verletzlich. Auch wenn ihm die Haare nicht mehr ins Gesicht hängen. Dafür sorgt Jasmin.
    »Nick! Bitte!« Kurz entschlossen geht sie zu ihm und nimmt ihm das Baby ab. Azim guckt sie an wie ein Auto. Aber jedenfalls ist er still. »Nick, ich kann nicht –«
    Azim schreit. Nick nimmt ihn zurück. »Du kannst dein Zeug auf meinen Schreibtisch stellen!«, brüllt er.
    Mattie klettert die Treppe hoch ins Gästezimmer und stopft ihre Sachen in die Umhängetasche. Ein letzter Blick ins Gäste-WC, dann wieder auf die Galerie. Von unten tönt Azims Geschrei herauf. Maisonette des Grauens.
    Irgendwo hier oben ist Nicks Arbeitszimmer. Sie versucht sich an die Führung von gestern zu erinnern. Ja richtig, die letzte Tür. Ein winziger Verschlag unter

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