Grenzgaenger
Foto machen, messen, abkleben wegen Mikrospuren, das ist die Routine bei Suizid. Das wissen Sie genau wie ich. Aber ich hab die Fingerspuren trotzdem genommen. Erfahrung eben, und der richtige Riecher, wie ich immer sage, darauf kommt es an.»
Er bekam kaum noch Luft.
«Stimmt», antwortete Toppe.
«Stimmt, stimmt», schnaubte Berns. «Eins sag ich Ihnen. Ich mache meine Arbeit, aber ich mach mich nicht mehr kaputt für diesen Verein. Ich nicht mehr! Da lass mal die jungen Quexe ran, die so nassforsch Karriere machen wollen.»
«Nun mal halblang», unterbrach Toppe seinen Wortschwall, aber Berns wischte alles mit einer einzigen Handbewegung weg. Er war in Rage.
«Und wo wir gerade dabei sind, Herr Toppe: Wo waren Sie denn bei der Obduktion, was? Von wegen Anerkennungszeuge! Nee, da musste wieder die arme Sau von Polizeifotograf ran. Arbeitsmoral, damit wollen Sie mir kommen? Dass ich nicht lache!»
Er drehte sich auf dem Absatz um und ging zur Tür.
Toppe griff sich in den Bart.
«Stopp», rief er, und Berns blieb stehen. «Das Letzte war unnötig, Herr Berns.»
Berns atmete tief durch, seine Energie war verpufft.
«So», sagte Toppe, ging zu dem einzigen Tisch im Raum und setzte sich auf einen der beiden Stühle, «und jetzt setzen Sie sich, und wir reden in Ruhe darüber.»
Widerwillig kam Berns zurück und setzte sich. Das anschließende Gespräch war gar nicht so übel.
Ackermann war eingetroffen, was man an der Atmosphäre im Büro deutlich ablesen konnte. Amüsierte Gereiztheit, dachte Toppe, so lässt es sich wohl am treffendsten beschreiben.
Sie kamen ohne langen Anlauf zur Sache.
Van Appeldorn und Heinrichs hatten es tatsächlich noch geschafft, eine vollständige Liste der Leute, die auf Reuters Fete gewesen waren, zusammenzustellen. Ausführliche Einzelbefragungen hatten sie allerdings nicht mehr durchführen können.
«Und ich habe gestern noch die beiden Kinder von diesem Dr. Baumgarten befragt», sagte Breitenegger, «die beiden Saxophone.» Er wedelte vorwurfsvoll mit seinem Bericht.
«Ja, schon gut, Günther», winkte Heinrichs ab, «heute Abend hast du alle Berichte auf deinem Tisch.»
«Und was ist nun mit den Kindern?», fragte Toppe ungeduldig.
«Ja, nix», brummte Breitenegger. «Sind wirklich noch Kinder. Die haben den Reuter bewundert, weil er halt Profimusiker war und schon so alt, und weil er so richtige Musiker kannte. Aber mehr ist da nicht zu holen gewesen.»
Toppe war unzufrieden. «Mensch, da muss doch irgendwo was begraben sein in dieser Bigband», sagte er mehr zu sich selbst.
«Also bei denen jedenfalls nicht», entgegnete Breitenegger.
«Ich hab auch noch was», mischte sich Astrid ein. «Sie hatten mir doch den Karton mit den Konzertzetteln gegeben und den Zeitungsausschnitten und so.»
«Ja», nickte Toppe, «und?»
«Viel konnte ich nicht damit anfangen, aber ein Freund von mir ist auch Jazzer. Also, kein Profi, aber er hat ziemlich Ahnung. Und mit dem bin ich das alles mal so durchgegangen.»
Toppe runzelte die Stirn, und sie verstand sofort. «Nein, ich hab dem nicht die Ausschnitte gezeigt, oder so. Ich hatte mir vorher alles aufgeschrieben. Ich habe dem nicht erzählt, worum es ging.» Sie wirkte ein bisschen sauer, schluckte es aber schnell herunter. «Also, die ganzen Gruppen, in denen Reuther so gespielt hat, sind eigentlich Secondhand-Profi-Bands. Nicht schlecht, nicht ganz unbekannt, aber sicher auch nicht die erste Sahne. Über Deutschland raus kennt die kein Mensch.» Sie pustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. «Aus dem ganzen Wust habe ich eine Liste mit 112 Namen erstellt. Die Leute wohnen im ganzen Bundesgebiet.»
«Oh, mein Gott», stöhnte Heinrichs.
«Wieso? Sind doch schöne Dienstreisen», bemerkte van Appeldorn.
«War einer von denen auf der Fete?», fragte Toppe.
«Geben Sie mir mal die Liste rüber, Astrid.» Van Appeldorn streckte die Hand aus. «Das lässt sich gleich feststellen.»
Das Telefon klingelte. «Ja, Toppe.»
«Guten Tag. Ist dort die Mordkommission?»
«Ja, Hauptkommissar Toppe am Apparat.»
«Bearbeiten Sie die Morde an der Bigband?»
«Ja. Mit wem spreche ich?»
«Püplichhuisen. Heinrich Püplichhuisen, meine Kinder spielen in der Band.»
«Ja?»
«Ich wollte mal hören, was eigentlich los ist. Ich habe ja erst heute Morgen aus der Zeitung … mein Gott … furchtbar … und meine Kinder.»
«Ja, Herr Püplichhuisen?»
«Ich meine, haben Sie den Mörder schon?»
«Nein, bisher noch
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