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Grenzgaenger

Grenzgaenger

Titel: Grenzgaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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anders …»
    Reimann hob die Gabel. «Was ist eigentlich mit den Opfern? Wer sind die? Gibt es Gemeinsamkeiten?»
    «Dazu kann ich Ihnen gleich was sagen. Lassen Sie mich erst noch schnell den dritten Fall schildern.»
    Der Kellner kam und räumte die Vorspeisenteller ab.
    «Sollen wir uns noch einen teilen?» Reimann tippte gegen die schon leere Weinkaraffe.
    Toppe nickte. Er musste sowieso mit dem Taxi zurückfahren.
    «Noch einen halben», rief Reimann dem Kellner zu. «Der dritte Fall also …» Er sah Toppe erwartungsvoll an.
    «Das Opfer ist Otto Hetzel, Berufsschullehrer und zudem irgendwas Höheres bei den Grünen. Hier muss der Täter das Opfer besonders gut gekannt haben, er hat ihm nämlich offensichtlich sogar ein Gastgeschenk mitgebracht. Schokoküsse, die Hetzel besonders liebte. Jeder einzelne davon ist mit einer tödlichen Dosis Digitalis präpariert. Diesmal macht der Täter überhaupt keinen Versuch mehr, die Tat zu verwischen. Er lässt sogar die noch übrigen vergifteten Negerküsse stehen. Und das, obwohl in Hetzels Haus Kinder wohnen, was der Täter eigentlich gewusst haben muss. Er ist vermutlich gar nicht mehr da, als Hetzel stirbt, denn der Herztod tritt erst nach ein paar Stunden ein.»
    Der Kellner kam mit den Fischplatten. Es duftete köstlich.
    «Es ist ja auffällig», begann Reimann, unterbrach sich aber gleich wieder, denn der Kellner kam noch einmal mit Blattspinat und Dauphinoisekartoffeln. Dann mit der Weinkaraffe. Endlich hatte er seine Aufgabe erledigt.
    «Ich meine, es fällt doch auf, dass die Art der Tötung in allen drei Fällen eine sehr ‹schonende› ist. Zwei der Opfer schlafen, als er sie tötet, bei dem dritten ist der Täter schon gar nicht mehr da. Spontan würde ich sagen, die Art, wie dieser Mann tötet, spricht gegen einen Affekttäter und auch gegen, wie man früher sagte, einen ‹Triebtäter›. Es geht auf keinen Fall um Aggressionsabbau oder Lustgewinn.»
    Toppe nickte und kaute.
    Reimann starrte blicklos auf sein Weinglas. «Der Täter scheint mir recht intelligent zu sein, denn er hat immer noch genügend intellektuelle Energie, den nächsten Mord genau und auch sehr phantasievoll zu planen, und das trotz der persönlichen Desorganisation.»
    Toppe schaute ihn fragend an.
    «Nun ja, wir kennen das doch von uns selbst. Wir sind doch öfter mal hin und her gerissen, weil wir verschiedene Wünsche, Gefühle und Gedanken in uns tragen, die sich völlig widersprechen können. Aber wir Normalneurotiker schaffen es, diese Widersprüche in uns unter einen Hut zu bringen und entsprechend angepasst zu handeln. Und wir können uns auch in andere Menschen hineinversetzen und auch akzeptieren, dass andere mal nicht so sind, wie wir es erwarten. Wir können darüber ärgerlich oder traurig sein, aber es führt nicht dazu, dass wir völlig ausrasten. Weil wir anerkennen, dass der Mensch, der uns enttäuscht hat, im Kern immer noch ein und derselbe Mensch ist.» Er musste lächeln. «Sie erkennen Ihre Frau doch auch wieder, wenn sie statt der blauen eine rote Bluse trägt.»
    Toppe verstand.
    «Sehen Sie», fuhr Reimann fort, «das alles kann Ihr Täter nicht. Für ihn gibt es entweder die ganz gute Frau in der blauen Bluse oder die ganz böse in der roten.»
    Toppe grinste unwillkürlich.
    Reimann nickte. «Wir können darüber schmunzeln, aber für Ihren Täter ist es innerlich eine Katastrophe, denn diese Frau in Blau garantiert ihm seine persönliche Stabilität. Wenn diese Stabilität bedroht ist, überschwemmen ihn archaische Gefühle von Hass und Rache.»
    «Aber wieso ist er dann trotzdem in der Lage, so planvoll vorzugehen?», fragte Toppe.
    «Weil beides nichts miteinander zu tun hat», antwortete Reimann. «Wenn ich zynisch wäre, würde ich behaupten, der Kontakt zur Realität stellt sich gerade an dieser, für uns widersprüchlichen, Stelle wieder ein.»
    «Die Art, wie er tötet … das sind alles so ausgeklügelte Bilderbuchmethoden», überlegte Toppe. «Ich glaube, der Mann muss irgendwie kriminalistisch oder medizinisch vorgebildet sein.»
    «Vielleicht liest er auch einfach nur gern Kriminalromane», wandte Reimann ein. «Was ist mit den Opfern?»
    Toppe sammelte sich. «José Bruikelaer war, wie gesagt, Krankenschwester in Emmerich. Sie galt als freundlich, zuverlässig und positiv. Sie lebte allein im Schwesternwohnheim, hatte sich vor einiger Zeit von ihrem Freund getrennt, oder er sich von ihr. Die Kontakte, die sie hatte, selbst die sexuellen,

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