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Grenzgänger

Grenzgänger

Titel: Grenzgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Behrmann
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zu dir.«
    Er wollte ihr helfen, aber im Augenblick fiel es ihm schwer genug, sich selbst zu helfen. Die Sorge um Feng nagte an ihm und er spürte Ariens Verlust nahezu körperlich. Es war ein weiteres Kind der Fey, das gestorben war; ein weiteres Kind, das er nicht hatte schützen können.
    »Du mieses Schwein! Du Mistkerl!«
    Felines Geschrei alarmierte die Werwölfin. Sie kam durch die Tür hereingestürmt, aber Kay kümmerte sich nicht um sie. Felines Worte schmerzten genug; sie trafen ihn wie Peitschenhiebe. Er nahm Ariens kalten Körper auf die Arme und sah zu Feline, die noch immer schrie.
    »Es tut mir leid«, wiederholte er, bevor er mit Arien verschwand, um sein Kind zur letzten Ruhe zu bringen.

    Natasja fuhr mich nach Hause. Wo mein Auto stand, wusste ich nicht. Das heißt, ich hätte mich konzentrieren müssen, damit ich mich wieder erinnerte. Aber konzentrieren konnte ich mich nicht. Auf Nichts.
    Wut sorgte dafür, dass meine Gedanken wie wahnsinnig in meinem Kopf herumwirbelten, aber ich war froh darum. Wenn ich jetzt auch nur einen davon fassen könnte, würde die dünne Schale, die noch zwischen dem Wahnsinn und mir stand, brechen. Ich konnte es spüren. Die Verzweiflung lauerte wie ein ekliges Geschöpf hinter dieser Schutzschicht aus Wut und Zorn und wartete auf den Moment, in dem ich mich nicht mehr im Griff hatte.
    Ich hielt mich an Natasja fest, als wir über die Straßen fuhren. Sonnenlicht fiel auf meinen Rücken. Doch die Wärme verflog sofort durch den Fahrtwind. Sonnenlicht. Ich hielt mich an diesem Bild fest. Wie es aussah, konnte ich die wärmenden Strahlen noch immer ertragen und meine unfreiwillige Nacht unter dem Bett hatte sich als völlig unnötig erwiesen.
    Natasja hatte gelacht, als sie gesehen hatte, wie ich unter dem Bett lag. Solange, bis sie mein Gesicht sah. Danach hatte sie mich zu sich gezogen und in ihren Armen gewiegt. Egal wie die Werwölfin sich in der Nacht zuvor verhalten hatte – von dem betont coolem Gebaren war nichts mehr übrig.
    Als sie vor meiner Wohnung hielt, nahm sie den Helm ab. »Komm wieder mit. Du kannst bei mir bleiben, bis es besser wird.«
    Ich schüttelte schwach den Kopf. »Es hat nicht einmal angefangen«, erwiderte ich. »Und ich denke, wenn es wirklich beginnt, will ich dabei allein sein.«
    »Das ist Blödsinn.«
    »Das ist mir egal.« Das war es tatsächlich. Ich spürte nur, dass es schlimm werden würde. Aber auf Trost hatte ich meist nur mit noch schlimmeren Anfällen reagiert. Meine Mutter hatte dann immer… Ich konnte nicht einmal den Gedanken zu Ende denken. Die Nägel gegen die Handfläche gepresst, machte ich einen Schritt zurück.
    Natasja nickte nur und ließ mich gehen.
    In meiner Wohnung herrschte das gleiche Chaos, das ich zurückgelassen hatte. Der Moment, in dem ich mitsamt Ficus aus der Tür gegangen war, lag in so weiter Ferne. Es war genau ein Leben her.
    Eine Weile stand ich einfach vor dem Bad und sah auf das verdreckte Waschbecken und die halb eingetrockneten Lachen auf den Fliesen. Das Bad starrte vor Schmutz. Der Anblick wurde mir zu viel. Ich ging in die Küche und holte Putzeimer, Mopp und Schwamm. Das Waschbecken wurde gereinigt. Die Erde entfernt, die Blutstropfen weggewaschen. Das Wasser folgte. Ich ging mit dem Mopp immer wieder über die nassen Stellen. Die Handtücher mussten in die Wäsche. Das Bad war sauber. Ich machte mit dem Wohnzimmer weiter. Nachdem ich auch hier gewischt hatte, begann ich um kurz nach sieben zu saugen. Ich polierte den Tisch. Ich putzte die Fenster. Ich wienerte die Stühle. Als ich fertig war, wollte ich den Tisch säubern. Und erstarrte. Die Krötenstatue saß darauf und sah vollkommen unbelebt aus. Was sie auch war. Zumindest dem nach, was meine Mutter gesagt hatte. Kurz bevor sie sie mir gegeben hatte, um mich zu schützen.
    Die Mauer brach. Ich sank auf die Knie und spürte, wie schwarze Wogen über mir zusammen schlugen. Es gab keinen Halt mehr. Vielleicht hätte ich all die Veränderungen, all das Zusammenbrechen der Welt um mich herum ertragen können, wenn ich mir sicher gewesen wäre, dass sie da war. Wieso hatte ich nie aufmerksamer zugehört? Aber egal, wie laut ich rufen würde, sie würde mir nichts mehr erzählen können. Sie war fort. Meine Mutter war fort.
    Der Ton der Statue drückte sich hart in meine Brust. Ich presste sie noch fester an mich und weinte. Mir blieb nichts weiter als das.
    Ich schluchzte hart und meine Zähne gruben sich in meine Lippe. Der Schmerz gab

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