Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition)
behilflich zu sein«, erklärte Jusson. »Zu Unserer Bestürzung mussten Wir erfahren, dass der Botschafter sich nicht mehr in Unserer Stadt aufhält.«
Hauptmann Suiden erstarrte, drehte sich auf seinem Stuhl herum und sah Jusson an – der ihn seinerseits musterte. »Ich nehme an, Hauptmann Prinz, dass Sie weder von den Sklaven wussten, die nach Tural verkauft wurden, noch eine Ahnung haben, wo sich Ihr Cousin befindet.«
»Nein, Euer Majestät«, erwiderte Suiden. »Ich habe Kenalt seit Eurem Empfang nicht mehr gesehen …«
»Den Sie in seiner Begleitung verlassen haben.«
»… noch mache ich gemeinsame Sache mit Gherat oder Teram«, fuhr Suiden fort und antwortete dann auf die Anspielung des Königs. »Wir haben zusammen … getrunken, Euer Majestät.« Röte färbte seine Haut noch dunkler. »Außerdem haben uns viele gesehen.«
»Allerdings.« Jusson funkelte Suiden an. »Man hat Uns berichtet, dass Sie eine recht angenehme Baritonstimme haben und höchst verblüffende Lieder kennen.« Er hob eine Braue. »Während Ihres Festgelages hat Ihr Cousin nicht zufällig irgendwelche Geheimnisse ausgeplaudert, was Turals Verwicklung in diese Angelegenheit betrifft?« Das Funkeln seiner Augen verstärkte sich. »Und würden Sie es Uns sagen, wenn er es getan hätte?«
»Ich habe Euch meine Treue gelobt, Euer Majestät, und mich die letzten zwanzig Jahre an diesen Schwur gehalten«, antwortete Suiden. »Ja, ich würde es Euch erzählen.«
»Tatsächlich?«, meinte Jusson. »Immer ›Euer Majestät‹, niemals ›Sire‹. Vielleicht sollten wir Sie in den Kreis der Zeugen bitten, wo Sie Ihren Eid auffrischen könnten. Würden Sie das tun?«
»Jawohl, Euer Majestät. Ich habe Euch meine Treue gelobt«, wiederholte der Hauptmann.
»Haben Sie das?«, hakte der König nach. »Sie haben auch dem Amir von Tural einmal die Treue geschworen.«
»Ich habe den Eid nicht gebrochen, Euer Majestät. Der Amir hat beschlossen, nicht mehr länger mein Lehnsherr sein zu wollen.«
»Der Amir hat Sie, den Sohn seiner ältesten Schwester, verbannt? Warum, Hauptmann Prinz?«
»Es gefiel ihm nicht, dass ich mich ihm widersetzt habe, Euer Majestät.«
»Ach? Und ist das eine erstrebenswerte Eigenschaft bei Unseren Gefolgsleuten?«
»Ich habe mittlerweile Takt gelernt, Majestät. Mein Nein hört sich heute weit diplomatischer an.«
Jusson musste gegen seinen Willen lachen. »Ihr wollt Uns doch nicht zum Narren halten, Hauptmann Prinz?«
Suiden lächelte kurz. »Nein, Euer Majestät. Außerdem glaube ich nicht, dass Ihr jemals ein ganzes Dorf enteignet, nur weil Ihr einen Lustgarten für Eure bevorzugte Konkubine dort errichten wollt. Mit Springbrunnen, für die Ihr das Wasser eines Flusses umleitet, was die Getreideernte etlicher anderer Dörfer ruinierte, ihre Obstplantagen austrocknete und ihr Vieh verdursten ließ …«
»Wir verstehen, Hauptmann Prinz.« Jusson betrachtete Suiden nachdenklich. »Wirklich sehr selbstlos! Sie waren also bereit, sich Ihrem Amir wegen einiger Bauern und ein paar Stück Vieh zu widersetzen.«
»Mein Bootsmaat stammte aus diesem Dorf, Euer Majestät …«
»Ah!«
»… und außerdem fand ich, dass die Konkubine und ihre Familie wie die Maden im Speck lebten, während andere betteln mussten …«
»Und auch noch Politik, hm?«
»… schließlich war ich sicher, dass mein Onkel auf mich hören würde, weil ich im Recht war.« Suiden zuckte mit den Schultern. »Stattdessen war ich nur jung und naiv.«
»Eine sehr flüchtige Kombination«, stimmte Jusson ihm zu und ließ seinen Blick dann über die Personen am Tisch gleiten. »Nach zwanzig Jahren in Unseren Diensten hat Prinz Suiden seine Treue zu Unserem Thron unzweifelhaft unter Beweis gestellt, also wird es keine weiteren Zweifel an seinen Absichten geben. Nicht einmal von Unserer Seite.«
Einige Berater rutschten unruhig auf ihren Stühlen herum und warfen unbehagliche Blicke auf Suidens glühende grüne Augen.
»Weiterhin«, fuhr der König fort, »gibt es auch keine Zweifel, ob wir den Vertrag mit den Grenzlanden verletzt haben oder nicht. Es scheint zwar so, als wäre der größte Teil des Schmuggelgeschäftes für Terams Locival-Theaterrebellion benutzt worden, aber es waren noch weitere Personen darin verwickelt, die sich ausschließlich bereichern wollten. Wir müssen so viel herausfinden, wie wir können, um einen Krieg abzuwenden.«
»Nur weil wir den ersten Krieg verloren haben, Sire, bedeutet das nicht automatisch, dass wir
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