Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition)
Grund ist die sehr menschliche Eigenschaft, die Existenz von allem zu leugnen, das sich außerhalb Eurer eigenen, sehr konkreten Weltsicht befindet. Aber vertraut mir, Ihr seid verwandelt.«
Javes öffnete den Mund, aber Suiden kam ihm zuvor. »Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Dennoch, was auch immer mit Iversterre und seinen Menschen geschieht, gibt Euch nicht das Recht, einen meiner Leute zu verzaubern.«
»Das ist kein Zauber.« Laurel ließ meine Hand los und beugte sich vor. »Das hier macht Hase nicht zu etwas, was er nicht ist, sondern gibt ihm Kontrolle über seine Talente, während er zu dem heranwächst, was er ist.«
»Mir kam es so vor, als hättet Ihr ihn eben noch beherrscht.« Suiden beugte sich auch vor. »Dieses Ding auf Eurer Tatze hat gebrannt, und er hat vor Schmerz aufgeschrien.«
»Hase hat auf meine Wut reagiert. Dem wird die Ausbildung ein Ende bereiten.«
»Das behauptet Ihr«, erwiderte Javes.
»Faena lügen nicht, Sir«, mischte ich mich ein. »Sie können es nicht, nicht einmal sich selbst gegenüber.« Ich hob die Hand, zeigte allen meine Rune und ignorierte, wie Groskin zusammenzuckte. »Wahrheit. Nicht eine Wahrheit, meine oder Ihre, Sir. Die Wahrheit.«
»Niemand kann die ungeschminkte Wahrheit ertragen, Hase«, erklärte Suiden. »Jedenfalls nicht lange.«
»Jawohl Sir. Genau deshalb haben die Grenzlande den letzten Krieg gewonnen.« Ich ließ meine Hand sinken. »Die Faena haben die Rune der Wahrheit erhoben, und plötzlich haben sie sich selbst, ihre Kommandeure, ihre Kameraden als das gesehen, was sie waren. Nicht nur als Schwache, Korrupte oder Hinterhältige, sondern sie erkannten auch die Motive hinter jedem liebenden Wort, jeder guten Tat, jedem Segen. Alles, Sir.« Ich strich wieder über das Mal auf meiner Handfläche. »Sie haben recht. Niemand kann das ertragen, und die Königliche Armee fiel dem Wahnsinn anheim.«
»Aber ich dachte, die Bäume …«, begann Groskin.
»Sie kamen nach den Faena«, unterbrach ich ihn.
Suiden lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, der protestierend knarrte, und betrachtete Laurel finster. »Warum seid Ihr hier?«
»Um einen weiteren Krieg zu verhindern.«
»Und Eure Reise hat nichts mit Hase zu tun?«
»Sein Vater hat ihn als Verbindungsoffizier empfohlen.«
Suiden runzelte über dieses geschickte Ausweichmanöver die Stirn. Ich beobachtete, wie der Drache seine Tasse absetzte, Rauch sein Gesicht verhüllte, und vergaß meine Hand. »Laurel …«, begann ich.
»Verschaukelt mich nicht, Katze!«
Laurel legte die Ohren an, und seine Pupillen vergrößerten sich, bis sie ganz schwarz waren. »Die Rune war notwendig, weil er eine Gefahr für sich selbst und andere darstellte. Akzeptiert es.« Die Perlen an seinem Stab rasselten, als er ihn zu sich zog.
»Hauptmann Suiden …«, versuchte ich es erneut.
»Ihr habt mir gesagt, er wäre weder in Gefahr noch eine Gefahr. Also habt Ihr damals gelogen, oder Ihr lügt jetzt.« Der Rauch verdichtete sich, und Feuer züngelte aus den Mundwinkeln des Drachen. »Vielleicht sogar beide Male.«
»Sobald die Rune gezeichnet war, stellte er keine Gefahr mehr dar.« Laurel sträubte sich das Nackenfell. »Und … ich … lüge … nicht!« Er stand auf und hielt den Stab vor sich.
»Gezeichnet! Auf meinen Leutnant! Ohne meine Erlaubnis!« Der Drache erhob sich auf die Hinterbeine und entfaltete seine golddurchzogenen, schwarzen Schwingen.
»Besitzt Ihr ihn? Nein, das tut Ihr nicht.« Ein tiefes Grollen rollte durch Laurels Brust, als er seine Krallen ausfuhr, während der Drache das Maul öffnete, tief Luft holte und eine klauenbewehrte Hand hob.
Einmal hatte ein Drache von außerhalb unseres Weilers versucht, in Morainas Territorium einzudringen. Meine Familie hatte sich in dem Wurzelkeller verstecken müssen, zusammen mit allen anderen Kreaturen, die es bis dorthin geschafft hatten – und es wurde verdammt eng in dem Gewölbe -, während die Luftschlacht über unserem Hof stattfand. Zunächst beteten wir, dass sie unsere Häuser und Felder nicht zerstören würden. Dann beteten wir, dass sie sie nicht zu sehr beschädigten. Dann erflehten wir nur noch die Gnade, sie anschließend einigermaßen wieder aufbauen zu können. Schließlich beteten wir um unser Leben. Am Ende beteten wir, dass unsere Leichen noch identifizierbar wären. Und zu guter Letzt, dass man überhaupt noch etwas von ihnen fand. Rune oder nicht, ich würde nicht hier herumhängen, während Laurel Faena und Hauptmann
Weitere Kostenlose Bücher