Grenzwärts
disziplinlose Engel vom Teufel bekehrt,
vom Himmel verbannt, doch auf der Erde verehrt.
Wir Prinzen des Friedens sündigen gern,
im Namen der Onkelz – im Namen des Herrn!«
Kurz nach elf bin ich betrunken. Aber das reicht mir nicht, ich will mich besaufen! Schwankend laufe ich in den Bahnhof und hole mir im Kiosk eine Flasche Doppelkorn.
Ah, wie der Schnaps die Kehle runterrinnt und den verspannten Körper wärmt – das ist ein schönes Gefühl. Jaah, es geht mir gut! Im Namen der Onkelz, im Namen des Herrn – es geht mir wunderbar, ihr Wichser, ganz große Klasse!
Die Sonne scheint, als ich aus dem Bahnhof komme, und hinter meinem Jeep parkt Rolands schwarzer Porsche.
»Na, alter Junge? Auch in unserer schönen sächsischen Landeshauptstadt? Guck dir die Leute an, sind das nicht ganz besonders beschissene Exemplare des Homo sapiens? Wie ängstlich sie gucken, diese zivilisierten Nullen. Ja, Opa, du kriegst auch gleich eins aufs Maul, wenn du mich so dämlich anglotzt. Schon mal ‘n zertrümmerten Kiefer gehabt?«
»Scheiße Kudella, du bist ja total dicht!«
»Ja, ich bin dicht, Don Rolando, und du? Bist du undicht? Sieh uns an! Wir zwei! Einer nicht ganz dicht, der andere blau.«
» Die Erde hat uns wieder, so wie sie uns kennt! Mit
scheinheiligen Liedern erobern wir die Welt!«
»Hör auf rumzugrölen, Mann! Die Leute gucken schon!«
»Lasse gucken! Die Vollidioten! Wir sind die Herren des Planeten, nicht wahr, Don Rolando? Auch ‘n Bier? Auf den Schreck?«
»Zigarette kannste mir geben.«
»Genau, quarzen wir erst mal eine, bevor unser Julchen kommt, was? Wirst du sie wieder ficken? Ordentlich durchvögeln, wie damals? Gib’s zu, du notgeiler Bock, dich hat doch dein Schwanz hergelenkt.«
»Die Frage ist, was dich hergelenkt hat. Weißt du, Kudella, mit deiner Aktion Samstagnacht an der Grenze hast du mich voll in die Scheiße geritten …«
»Vergiss es, Compañero. Geht mir total am Arsch vorbei.«
»Ach ja? Und meine Kunden? Die rücken mir auf die Pelle, wenn ich nicht liefere!«
»Deine Kunden, dass ich nicht lache. Wissen die überhaupt, was ihnen entgeht?«
»Die haben bereits für die Ware bezahlt, du Arschloch!«
»Na, dann kannste ja noch einen ausgeben, Don Rolando. – PAAARTIIEH !«
»Mann, sei leise!«
»Ja, ja, die Leute gucken sonst. Und weiter?«
»Die Sache ist ‘ne Nummer zu groß für mich. Diese Typen sind ein anderes Kaliber. Das sind Profis – die machen kurzen Prozess, verstehste?«
»Ja, das ist wirklich Pech. Für dich, alter Freund. Bin gespannt, was Jule davon hält …«
»Bist du verrückt?«
»Nee, nur besoffen.«
»Die darf nichts davon erfahren, klar? Auf keinen Fall!«
»Und wieso beugst du dich jetzt in meinen Wagen und ziehst den Zündschlüssel ab? Denkste etwa, ich haue ab? Ohne meine Jule? Vergiss es, Alter! Wegen der bin ich hier. Genau wie du.«
»Pass auf, ich hol sie eben vom Bahnsteig ab, und du passt hier kurz auf die Autos auf, okay?«
»Angst um deinen Porsche, Don Rolando? Meinst du, der wird dir geklaut? Hier? Im friedlichen Dresden? Oder soll ich ihn vor deinen frustrierten Kunden verteidigen? Falls die kommen und ihn sich als Ersatz für deine Mädels abholen wollen?«
»Ach, vergiss es! Bin gleich wieder da. Mach keinen Stress, klar?«
Beruhige dich, du Idiot. Solange mein Durst gelöscht wird, bin ich friedlich wie Jugoslawien zu Titos Zeiten. – Prost, ihr sächsischen Heiligen der Menschheit! Singt ein Halleluja auf mich, sonst gibt’s was auf die Fresse! Seht diesen herrlichen Doppelkorn! So rein und klar wie ein Gebirgsquell. Eine kalte, verwirrende Dusche fürs Hirn. Damit sieht man die Welt ganz deutlich. Wie durch ein Brennglas. All der Irrsinn und die Verlogenheit eures Seins treten darin glasklar hervor.
Hui, diese flippige Hippiebraut zum Beispiel, die da gerade aus dem Bahnhof kommt. Eine riesige Kraxe auf dem Rücken und gestylt wie für Woodstock: Minirock, schwarze Strumpfhosen und ein weitärmeliges, sariartiges Oberteil unter der bunt bestickten Lammfellweste. Dazu ein indisches Nasenpiercing und eingeflochtene Perlen im langen Haar. Love, Sex und Pillepalle.
Alles Bluff, die ganze Erscheinung eine erbärmliche Lüge. Schaut euch ihre Bewegungen an! Erinnern sie uns nicht verblüffend an ein in Wahrheit sehr schüchternes Mädel? An ein allzu scheues Reh mit Chlorallergie?
Nein, Süße, du machst mir nichts vor! Perlen und bunte Tücher können nicht verbergen, was ich sehe. Hinter den
Weitere Kostenlose Bücher