Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

dachten so einiges −, das war ihm herzlich egal. Carl August hatte schließlich auch eine Geliebte, so hielt man das nicht selten in Adelskreisen, und er gehörte nun dazu, gelle, er konnte sich das eben leisten.
    Als allerdings der Kleine kam, da stellte er fest, dass man genau das in Adelskreisen völlig inakzeptabel fand. Geschwängerte Geliebte gehörten diskretestens mit einer Apanage in der Ferne untergebracht und nicht etwa samt illegitimem Spross zur öffentlich sichtbaren Fortsetzung des Verhältnisses im Haus gehalten. Und ein Mitglied des obersten Regierungsgremiums des Landes habe verdammt nochmal den Bürgern ein gutes Beispiel zu geben und nicht der Liederlichkeit ein Denkmal zu setzen.
    Irgendwie schaffte er es, der drohenden Vertreibung aus Weimar zu entgehen. Bei einigen Herrschaften war er allerdings jetzt geächtet – bitte, hatte er eben einen Zacken weniger in seiner Dichterfürstenkrone, ein Preis, den er gern zahlte für seine größte, vielleicht einzige echte Liebe, sein tiefstes, intimes Glück.
    Das Mütterchen, das so stolz war auf seine Position und sein Ansehen, das bekam die Peinlichkeiten glücklicherweise im entfernten Frankfurt nicht mit. Wolfgang brauchte einige Jahre, bis er sich traute, der Frau Rätin von der unehelichen Schwiegertochter und dem Enkelchen zu erzählen. Sie war ein bisschen unangenehm berührt. Aber am Ende freute sie sich doch.
    Außer der Frau Rätin und ihren Freunden vom Theater interessierte sich übrigens in Frankfurt damals niemand sonderlich für den Wolfgang Goethe. Wer war das noch gleich? Ach ja, dieser unstete, viel zu hübsche junge Charmeur, der Enkel vom Schultheißen Textor, der, statt zu arbeiten, brotlosen Künsten hinterhergelaufen war − kein Wunder bei dem nichtstuend sein Erbe verzehrenden Vater! −, der es demzufolge natürlich in Frankfurt zu nichts gebracht hatte und der also jetzt bei irgendeinem dieser dekadenten Fürsten als Hofdichter katzbuckeln musste.
    Stolz war man hier auf ganz andere Leute.

Informationen zum Buch
    Das wahre Gretchen
     
    Frankfurt im Jahr 1771. Die Dienstmagd Susann wird von ihrer eigenen Schwester bezichtigt, ihr Neugeborenes getötet zu haben. Wenige Tage später lässt sich die Flüchtige am Stadttor widerstandslos festnehmen. Im Römer beginnt der Prozess gegen sie.
    Der Fall erregt die Gemüter. Und als Susann schließlich auf dem Rossmarkt enthauptet wird, ist unter den Zuschauern ein Bürgerssohn namens Johann Wolfgang Goethe.
    Das Schicksal der Kindsmörderin ließ den jungen Juristen nicht mehr los; er setzte ihr mit dem Gretchen ein Denkmal. Ruth Berger befreit die historische Figur aus dem Schatten der literarischen und zeigt uns ein Frauenleben: spannend, hautnah und zutiefst bewegend.
     
    «Ruth Berger zeichnet ein lebendiges und detailgetreues Bild Frankfurts und seiner Bewohner.» (Frankfurter Rundschau)
     
    «Ein großartiges Buch.» (Augsburger Allgemeine)
     
    «Ruth Berger zeigt, wie ein wirklich guter historischer Roman aussieht.» (General-Anzeiger)
     
    «Ein packender Roman.» (Deutschlandradio Kultur)
     

Informationen zur Autorin
    Die Historikerin Ruth Berger lebt und arbeitet in Frankfurt. Kritiker und Leser gleichermaßen lieben ihre Kunst, mit viel Phantasie und Liebe zum historischen Detail von vergangenen Zeiten zu erzählen.
     
    Weitere Veröffentlichungen:
    Die Druckerin
    Die Reise nach Karlsbad
    Miss Lucy Steele
     

Impressum
    Rowohlt Digitalbuch, veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Oktober 2009
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    Umschlaggestaltung: any.way, Barbara Hanke/Cordula Schmidt
    Ciurlionis State Art Museum, Kaunas, Lithuania/bridgemanart.de
    Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved. Bitstream Vera is a trademark of Bitstream, Inc.
    Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH, KN digital – die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart
    ISBN Buchausgabe 978   -   3   -   499   -   24544   -   2 (2. Auflage 2010)
    ISBN Digitalbuch 978   -   3   -   644   -   30171   -   9
    www.rowohlt-digitalbuch.de