Gretchen
Gretchens Gnade ausgeliefert sah, unter Verschluss zu halten. Er erholte sich von seinen Verletzungen. Sie war auf der Flucht.
Die Wirklichkeit war düsterer.
Archie berührte ihr Foto in Newsweek. Es war vor dem Gerichtsgebäude aufgenommen worden. Sie hatte sich abgewandt in ihrer blauen Gefängniskleidung, die Hände in Handschellen, das Haar lose, ein perfektes Profil, wie ein Bild von einer Münze. Als er die Hand wegnahm, blieb auf der Seite ein Fingerabdruck zurück.
Er drehte seine Hände herum und betrachtete die Handflächen. Er schwitzte wieder.
Gott, wie gern hätte er ein Vicodin geschluckt.
Er wischte sich die Hände an der Vorderseite seiner Hose ab und spürte das Mobiltelefon in der Tasche. Er zog es heraus. Keine neuen Nachrichten.
»Falls Sie sich für sie interessieren, wir haben das Buch«, sagte die alte Frau hinter dem Ladentisch. Archie blickte auf. Sie hatte mehrere Engel aus einem Karton geräumt, vor sich auf dem Tisch aufgereiht und spähte nun über sie hinweg.
Archie sah sich selbst in diesem Augenblick, wie er aussehen musste, auf dem Boden, umgeben von Zeitschriften, die bei Artikel über Gretchen aufgeschlagen waren. Er steckte das Handy wieder in die Tasche.
Die alte Frau neigte den Kopf in Richtung Schaufensterauslage, wo sich ein Stapel von Das letzte Opfer neben einem Dutzend Exemplaren von Die fünf Menschen, die dir im Himmel begegnen türmte.
Archie schlug die Newsweek zu, stand auf und stellte sie ins Regal hinter ihm zurück. »Ich habe schon eins«, sagte er.
Er machte sich daran, die Hefte vom Boden aufzusammeln, um sie ins Regal zurückzustellen, und warf dabei einen Blick zu der alten Frau. Hinter ihr lief immer noch das kleine Fernsehgerät, und Archie glaubte für einen Moment, Gretchens Gesicht auf dem Schirm gesehen zu haben. Er stand in halb gebückter Haltung da, überzeugt, sich alles nur einzubilden, als Schriftzeichen auf den Bildschirm wirbelten und die Zeile BEAUTY KILLER AUF DER FLUCHT: TAG 76 bildeten.
Die Schriftzeichen gingen in Flammen auf.
Archie richtete sich auf. »Machen Sie lauter«, sagte er.
Die alte Frau sah ihn skeptisch an. Sie drehte sich langsam zum Fernsehschirm um, dann blickte sie wieder zu ihm und auf die Zeitschriften zu seinen Füßen.
»Machen Sie lauter«, wiederholte Archie. Er ging auf den Ladentisch und den Fernseher zu.
Sie zog die Stirn kraus, hielt inne, nahm noch einen Engel aus der Schachtel, um ihn auf den Tisch zu stellen, und dann holte sie eine Fernbedienung aus der Tasche ihres Kittels und drückte auf einen Knopf.
Ein Sprecher in einem metallisch blauen Regenmantel des Senders KGW tauchte mit einem Mikrofon in der Hand auf, im Hintergrund war Pittock Mansion zu sehen. Auf dem Gelände war ein menschlicher Kopf gefunden worden. Dann gab es einen Schnitt zu einem anderen Sprecher in einem weiteren blauen KGW-Mantel, der vor einem mit Brettern verschlagenen Haus stand. In dem Haus hatte man eine Leiche gefunden. Die Polizei gab keine Einzelheiten bekannt.
In einer Weitwinkeleinstellung sah Archie für einen Moment, wie Henry in das Haus ging.
Archie langte nach dem Handy, das normalerweise am Gürtel seiner Hose befestigt war, und fand keins. Sein Handy hatte man auf der Station weggesperrt.
Aber er hatte noch eins.
Er ließ die Hand in die Tasche gleiten, aber er zog das Gerät nicht heraus.
Die alte Frau verfolgte inzwischen mit gefurchter Stirn die Fernsehsendung, eine Hand hatte sie immer noch um die Statue eines knienden Engels mit Heiligenschein auf dem Kopf geschlossen.
»Darf ich Ihr Telefon benutzen?«, fragte Archie.
Sie hatte keinen Grund, es ihm zu erlauben, aber sie streckte die Hand nach einem beigefarbenen Telefon auf dem Tisch aus und gab es Archie. »Sie müssen eine Neun vorwählen«, sagte sie.
Archie wählt die Neun und dann Henrys Handynummer. Henry meldete sich nach dem dritten Läuten.
»Was ist los?«, fragte Archie.
»Von wo rufst du an?«, fragte Henry.
»Vom Geschenkladen im Krankenhaus.«
Er spürte, wie Henry zögerte. Archie war beurlaubt. Er hatte kein Recht, Informationen über eine polizeiliche Ermittlung zu erfahren. »Susan Ward hat einen Tipp bekommen und eine Leiche in einem leer stehenden Haus in North Fargo gefunden«, sagte Henry. »Und jemand hat einen Kopf über den Zaun oben beim Pittock Mansion geworfen.«
Sie hatten eins von Gretchens Opfern in den Gartenanlagen beim Pittock Mansion gefunden, nur wenige Monate bevor sie gefasst worden war. Sie hatte
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