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Gretchen

Titel: Gretchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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herausgeholt. Und dann per Post an Henry geschickt. Susans Kehle zog sich zusammen, und sie musste ein paarmal schlucken, ehe sie sprechen konnte. »Sollte ich unter Bewachung stehen?«, fragte sie.
    Henry nahm die Sonnenbrille ab und sah sie an. Sein rasierter Schädel glänzte immer noch vom Regen. »Verlassen Sie die Stadt«, sagte er.
    Es war eine gute Idee. Ein paar Monate nach Mexiko fahren, ein wenig schreiben. Vielleicht hätte sie es einige Monate früher tun können, bevor sie Archie getroffen hatte. »Ich kann nicht«, sagte sie. »Ich bin Journalistin. Ich kann nicht.«
    Susans Puls raste. Der Kriminaltechniker musste es gespürt haben, denn zum ersten Mal seit seinem Eintreffen schaute er zu ihr hoch. »Koalas«, sagte er. »Wenn man den Fingerabdruck eines Koalas nimmt, ist es nahezu unmöglich, ihn von einem menschlichen zu unterscheiden.«
    »Im Ernst?«, fragte Susan.
    Er drückte ihren kleinen Finger auf die Karte. »Hält uns jedes Mal zum Narren«, sagte er.
    »Wussten Sie«, sagte Susan, »dass in den letzten zwanzig Jahren neun Kinder von Cafeteriatischen in Schulen erschlagen wurden?«
    Der Techniker sah sie beunruhigt an. »Nein«, sagte er.
    Susan entspannte sich ein wenig, und nun begann ihr Verstand, die Einzelheiten einzukreisen. Wer hatte sie angerufen? »Glauben Sie, sie hat einen neuen Komplizen?«, fragte sie Henry. Er antwortete nicht. Dann kam ihr ein Gedanke. »Mehrere?« Ein Bild des Tatorts blitzte in ihrem Geist auf. »Da waren zehn Taschenlampen.«
    »Die könnten auch alle von einer Person aufgebaut worden sein«, sagte Henry. »Wir wollen die Sache mit den Taschenlampen aus den Medien heraushalten, okay?«
    »Vielleicht hatte sie neun Komplizen«, sagte Susan. »Wie ein Serienmörder-Baseballteam. Oder vielleicht testet sie Leute. Verstehen Sie, nach jedem Mord wird einer aus dem Team gestrichen. Der letzte Überlebende darf dann ihr Mörderbube sein.«
    Henry fand es nicht lustig. »Erzählen Sie mir von diesen Fansites«, sagte er.
    »Die Leute malen Bilder von ihr und stellen sie ins Netz«, erklärte sie. »Sie schreiben ihr Gedichte. Erfundene Geschichten. Ich habe vor ein paar Wochenenden einen Artikel darüber verfasst.« Keine Reaktion. Susan atmete frustriert aus. »Sie lesen den Herald nicht einmal, hab ich recht?«
    »Ich beziehe alle meine Informationen aus dem Daily Auto Trader«, sagte Henry.
    Der Kriminaltechniker gab Susan ein feuchtes Tuch. Sie schrubbte sich die Finger damit, und die Tinte ging sofort ab. Womit immer das Tuch getränkt war, es musste giftig sein. »Ich habe zu arbeiten«, sagte Susan und stand auf. Der Techniker hielt ihr eine Plastiktüte hin, und sie warf das Tuch hinein.
    Henry verschränkte die Arme. »Ich kann Sie nicht dazu überreden, manches von dem, was Sie gesehen haben, für sich zu behalten«, sagte er. »Um öffentlichen Aufruhr zu vermeiden, verstehen Sie?«
    »Keine Chance«, sagte sie. »Abgesehen davon haben Sie einen Kopf gefunden. Glauben Sie nicht, die Bürger werden sowieso ausflippen?«
    Henry knurrte. »Sie werden immer besser als Reporterin«, sagte er.
    »Journalistin«, korrigierte sie ihn. Sie winkte ihm zu und entfernte sich ein paar Schritte von dem Kombi.
    »Warten Sie«, rief Henry, und sie drehte sich um. Er sah sie an, sein Kiefer mahlte, eine Hand hatte er im Nacken. Dann ließ er die Hand sinken und trat näher an sie heran. »Ich erzähle Ihnen das, weil es ohnehin herauskommen wird«, sagte er. »Dann kann es ebenso gut durch Sie geschehen.« Er seufzte. »Es gibt ein paar Dinge über die Parkplatzsache, die wir nicht veröffentlicht haben.«

_ 16 _
    Archie saß auf dem Boden des Geschenkladens, umgeben von Zeitschriften, die Newsweek offen im Schoß. Bilder von Gretchen lächelten ringsum zu ihm herauf. Er hatte insgesamt siebenundzwanzig Artikel über sie gefunden. Den in Newsweek hatte er zuerst gelesen. Er war voller Entschuldigungen. Sie konnte nichts dafür. Es lag an der Gesellschaft.
    Archie konnte sich nicht erinnern, dass ihm die Gesellschaft ein Skalpell in die Brust gedrückt hatte.
    Es gab auch Fotos von ihm. Wie er an einem Tatort stand. Das Krankenhaus verließ. Der Mann, den sie zweimal zu töten versucht hatte. Sie zeichneten ihn als eine Art Held. Es verkaufte sich wohl besser, nahm Archie an, als die Wahrheit. Die Einzelheiten über ihren letzten Zusammenstoß waren skizzenhaft. Henry war es gelungen, die konkreten Umstände, die dazu geführt hatten, dass Archie sich ein weiteres Mal

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