Gretchen
auszuhalten. Und dann stand alles still.
»Atme aus«, sagte Jeremy.
Und Archie tat es.
Jeremy neigte sich wieder zu Archies Ohr. »Weißt du, woran ich denke?«, fragte er. »Wenn ich da hänge und meine Eier fühlen sich an, als würden sie platzen?«
Archie hatte das Gefühl, dass es sich um eine rhetorische Frage handelte.
»Ich denke daran, wie du sie fickst«, sagte Jeremy. »Ich denke daran, wie sie dir wehtut, dich zwingt, Dinge zu tun, und dann stelle ich mir dich auf ihr vor, wie du sie gewaltsam nimmst, ihr die Scheiße aus dem Leib fickst, sodass du heiß und hart wie eine Faust in ihr bist, wenn du kommst.« Jeremy hatte die Augen geschlossen. Es war alles nur Fantasie. Jeremy konnte unmöglich wissen, dass Archie und Gretchen eine Affäre gehabt hatten.
»Steigt einem nicht das Blut in den Kopf, wenn man so verkehrt herum hängt?«, fragte Archie, um das Thema zu wechseln.
»Man gewöhnt sich daran«, sagte Jeremy.
_ 48 _
Leo Reynolds steuerte seinen Volvo auf den Parkplatz eines Clubs namens George’s Dancin’ Bare, direkt gegenüber einer zehn Meter hohen, bemalten Gipsstatue des legendären Holzfällers Paul Bunyan im Stadtteil Kenton in North Portland.
Die Statue war 1959 errichtet worden, um die Besucher der Jahrhundertausstellung von Oregon und der Internationalen Messe zu begrüßen. Der Holzfäller trug eine umgestülpte Arbeitshose mit Gürtel, zwei Meter hohe schwarze Stiefel und ein rot-schwarz kariertes Hemd. Er stützte sich auf eine riesenhafte Axt.
Die Sonne kam heraus, und der pfirsichfarbene Himmel ließ die schmucklose braune Fassade des Dancin’ Bare besonders öde aussehen. Paul Bunyan grinste höhnisch von der anderen Straßenseite herüber.
Archie war bei Jeremy, und sie ging in eine Striptease-Bar.
Susan schaute skeptisch auf ihr Handy. Es war 5.00 Uhr. So lange hatte keine Bar auf.
»Privatparty«, sagte Leo, stieg aus dem Wagen und ging zur Eingangstür des Clubs.
Susan folgte ihm. Ein Plastikschild in Orange und Schwarz verkündete sehr eindeutig, dass der Club geschlossen hatte. Susan wollte schon etwas wie »Ich hab’s doch gleich gewusst« sagen, als Leo seinen Blackberry herauszog und eine Nummer eintippte.
»Ich bin’s«, sagte er. »Ich steh vor der Tür.«
Die Tür ging beinahe im selben Moment auf, und ein Mann trat halb heraus. Er war riesig und trug einen Bart und ein kariertes Flanellhemd. Susan drehte sich unwillkürlich zu Paul Bunyan um, ehe sie ihn wieder ansah.
»Das passiert ständig«, sagte der Mann zu ihr und lächelte. Susan sah einen goldenen Vorderzahn. Der Mann legte eine fleischige Pranke auf Leos Schulter. »Wie geht’s, Leo?«, sagte er und bedeutete ihnen einzutreten.
Sie kamen in einen schmalen, holzgetäfelten Gang. Plakate für Amateurabende und Angebote, dieses oder jenes Mädchen »aus nächster Nähe« kennenzulernen, bedeckten die Wände. Paul Bunyan blieb an der Tür zurück, wo er sich auf einen Stuhl setzte und die Lektüre eines Bibliotheksexemplars von Himmel über der Wüste wieder aufnahm.
Wie in allen Striplokalen, in denen Susan je gewesen war, roch es nach Bier, Schweiß und Zigaretten. Der Teppichboden war rattenbraun. Die Wände waren fleckig von Jahrzehnten Zigarettenrauch. Es gab nur wenige Gäste – zwei Typen mittleren Alters in Sweatshirts an der Bar und zwei weitere an einer kleinen Bühne, wo eine Frau in einem schwarzen, mit Volants besetzten Höschen tanzte. Sie hatte gewaltige Brüste und riesige, weinrote Brustwarzen. Ihre Nippel samt Warzenhof waren größer als Susans gesamte Brüste. Sie schwankten und hüpften beim Tanzen. Susan war fasziniert. Der Song »Milkshake« dröhnte aus den Lautsprechern. Ein voll aufgedrehter Subwoofer ließ die Bässe zittern. Niemand wirkte sonderlich glücklich. Wenn das eine Privatparty war, schien das Ereignis nicht allzu feierwürdig zu sein.
Leo blieb nicht stehen. Er nahm Susan an der Hand und führte sie an der Bar und mehreren Tischen vorbei in einen anderen Teil des Clubs. Dort spielte sich offenbar das eigentliche Geschehen ab. Es gab eine große Bühne mit Messingstange und einer nackten Frau. Mehrere Männer saßen rauchend an der Umrandung der Bühne. Eine Bedienung in superknappen Shorts und einem gelben T-Shirt lehnte an der Wand.
Sie lächelte, als sie Leo sah.
Unmittelbar hinter der großen Bühne gab es eine dritte Bühne, beim hinteren Ende der Theke. Diese war vollständig von einem Geländer umgeben, aber nur ein Gast saß davor, ein
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