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Gretchen

Titel: Gretchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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in Eugene kennengelernt«, sagte sie. »Er lud mich ein mitzumachen. Es hörte sich lustig an. Man trifft sich mitten in der Nacht an einem grusligen Ort und versucht, sich gegenseitig eine Höllenangst zu machen.«
    »Sie fügen sich selbst Narben zu, damit sie wie Mordopfer aussehen«, sagte Henry hinter Susan.
    »Das wusste ich bis letzte Nacht nicht«, erwiderte Pearl.
    »Erzähl mir von letzter Nacht«, sagte Susan.
    Pearl stieß mit einem ihrer spitzen Schuhe ins Pflaster. »Okay, letzte Nacht, das ging zu weit. Ich wusste nicht, dass die Jungs diesen Quatsch mit der Nadel machen würden.« Ihre Stimme klang jetzt mutloser. »Ich dachte, sie wollten dir nur Angst machen.«
    »Jeremy ist nicht der, für den du ihn gehalten hast«, sagte Susan leise. »Hab ich recht?«
    Teenager machten nicht bei Clubs mit, weil es sich lustig anhörte. Sie machten wegen der Jungs mit.
    Pearl nickte, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Nachdem du weg warst, hat Sheridan eine Waffe gezogen«, sagte sie. »Er wollte wissen, wo Jeremy ist. Was natürlich irre war, weil Jeremy genau vor ihm stand.« Sie wischte sich die Nase ab. »Dann haben sie ihn mit einer Elektropistole beschossen. Kann sein, dass er bewusstlos wurde.«
    »Und dann?«, sagte Henry.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Pearl. »Ich bin weggerannt. Ich bin aus dem Gebäude gerannt und zum Bahnhof, und dort habe ich einen Bus zur Hawthorne erwischt.«
    Henry drehte sich um und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
    »Diese Morde«, sagte Susan. »Die Leichen oben im Rosengarten. Der Kopf am Pittock Mansion. Gretchen Lowell hat diese Leute nicht getötet. Das war Jeremy.«
    Pearls Mund wurde klein, sie legte die Stirn in Falten und ließ den Kopf sinken. »Ich dachte, er mag mich«, sagte sie.
    Susan tätschelte ihr den Arm. »Ich weiß, Schätzchen.« Sie ließ Pearl einen Moment über ihr unglückliches Liebesleben nachsinnen, dann beugte sie sich vor und fragte in bester Große-Schwester-Manier: »Hat er dich jemals irgendwohin geführt?«

_ 56 _
    Jeremy hatte Archies Wunden verbunden und ihm ein Handtuch gegeben, auf dem er sitzen konnte. Archie saß nackt im Schneidersitz gegenüber von Jeremy, der ebenfalls nackt in der gleichen Stellung saß. Zwischen ihnen auf dem Boden stand ein Skalpellkoffer.
    »Könnte ich mich eventuell wieder anziehen?«, fragte Archie.
    »Ich muss dich sehen können«, sagte Jeremy.
    Er hob das Skalpell auf und hielt es in der Weise, wie es ihm Archie in dem Keller gezeigt hatte, wie ein Speisemesser, und die andere Hand streckte er aus und fuhr mit den Fingern über die herzförmige Narbe auf Archies Brust.
    Jeremys Brust war vollkommen zerfleischt. Zum Teil sah das Narbengewebe sehr alt aus, blass und gedehnt, als würde er sich schon seit Jahren auf diese Weise verletzen. Schnittspuren zogen sich an seinen Rippen hinauf und quer über seinen Bauch, und eine dünne Narbe lief auf der rechten Seite am unteren Rippenbogen entlang – wo sich der Einschnitt für eine Entfernung der Milz befinden mochte. Sie war nicht dick genug, um von mehr als einem oberflächlichen Kratzer zu stammen. Jeremy wollte so aussehen, als hätte man ihm die Milz entfernt. Er wollte so aussehen wie Archie.
    Seine Beine und die Innenseiten der Oberschenkel waren über und über von demselben Dreiecksmuster bedeckt, das sie bei Isabel gefunden hatten. Manche der Narben waren kaum wahrnehmbar, andere waren frisch. Er verstümmelte sich schon sehr lange.
    Jeremy bewegte die Finger von Archies Herz weg und fuhr die zwölf Zentimeter lange, senkrechte Narbe in der Mitte seines Rumpfs nach. »Was ist das für eine?«, fragte er.
    Es war die einzige Narbe, die ihm nicht Gretchen beigebracht hatte, eine kräftige, funktionale Linie, die sich wie eine andere Handschrift von den übrigen Narben unterschied. »Ich hatte innere Blutungen, als man mich ins Krankenhaus brachte«, sagte Archie. »Sie mussten mich noch einmal aufmachen und den Schaden beseitigen, den Gretchen bei der Entfernung der Milz angerichtet hatte.« Es war die Narbe, zu der Archie am wenigsten Bezug hatte, denn anders als bei denen, die von Gretchen stammten, hatte er keine Erinnerung daran.
    »Fintan hätte es so oder so gemacht«, sagte Jeremy. »Er hätte es selbst gemacht.«
    Archie blickte auf das Skalpell in Jeremys Hand. Er musste ihn hinhalten. »Du hast Fintan English im Ferienlager kennengelernt«, sagte er.
    Jeremys Gesicht war schlaff, sein Blick ging ins Leere. »Wir waren

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