Gretchen
zeigte mir, wie man es macht. Sie sagte, es sei etwas, das jeder wissen sollte. Kleine Blutblasen kamen aus Isabels Hals. Nachdem sie tot war, schnitt Gretchen ein Herz in sie. Erst da wusste ich, wer sie war. Der Beauty Killer. Ich hatte ein paar von den Berichten in den Nachrichten gesehen. Wir saßen lange da. Es wurde dunkel. Ich fing zu weinen an, und Gretchen hielt mich im Arm und strich mir über das Haar. Sie sagte danach nichts mehr. Ich glaubte, sie sei wütend auf mich. Wir saßen den ganzen nächsten Tag und die Nacht in dem Auto. Ich stieg aus, um zu pinkeln. Und dann stieg ich wieder ein. Sie stieg auch ein paarmal aus. Am zweiten Tag sagte ich, ich sei hungrig, und sie ließ den Wagen an und fuhr in die Stadt zurück. Sie parkte, stieg aus und ging weg. Ich wusste nicht, ob sie zurückkommen würde. Ich wusste nicht, ob sie erwartete, dass ich ihr folge. Also wartete ich. Und nach einer Weile schlief ich wieder ein.«
Archie legte das blutige Skalpell auf die Schale.
Jeremy saß da und schüttelte den Kopf. »Warum hat sie mich nicht getötet?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Archie.
»Sie hat sich um mich gekümmert.«
»Sie hat dich gefoltert«, sagte Archie sanft. »Ebenso sehr, wie sie deine Schwester gefoltert hat. Nur musstest du damit leben. Es gab keinen Grund.« Er sprach genauso zu sich selbst wie zu Jeremy. »Du warst ihr egal. Du schuldest ihr nichts.«
Jeremy begann zu weinen. »Es tut mir leid«, schluchzte er. »Ich habe diese Leute getötet. Ich habe einen Mann getötet, den ich schlafend im Park vorgefunden habe, und ein Mädchen, das ich als Anhalterin mitgenommen habe. Einen anderen Mann habe ich in mein Auto gelockt, indem ich ihm Arbeit anbot. Ich habe sie getötet und ihre Augen aufbewahrt. Weil sie mich an Isabels Augen erinnerten. Tote Augen, wie ihre.«
»Du hast sie an Gretchens Tatorten platziert.«
»Ich wollte, dass sie mich bemerkt.«
Archie sah Jeremy an – den Müll, den Gretchen in den Rinnstein geworfen hatte – und gelobte sich, alles für ihn zu tun, was er konnte. »Du steckst in Schwierigkeiten«, sagte Archie. »Leute sind tot. Du hast eine Journalistin gestochen …« Er fuhr nicht fort, da Jeremy nicht in der Verfassung zu sein schien, den Anklagepunkt unerlaubtes Vornehmen medizinischer Eingriffe zu erörtern.
»Hilf mir«, flehte Jeremy.
»Dein Vater wird dir einen guten Strafverteidiger besorgen«, sagte Archie. Sie waren beide beschädigt. Wie sie sich so gegenübersaßen mit ihren nackten, verwüsteten Oberkörpern, hatte Archie das Gefühl, in einen Spiegel zu schauen. »Das kommt wieder in Ordnung«, sagte Archie. »Du wirst Hilfe bekommen. Alles wird gut.«
Die Lichter flackerten.
Archie blickte auf. Etwas stimmte nicht.
Die Decke des Raums schien sich ihm entgegenzuwölben, und Archie schüttelte den Kopf und sah Jeremy an, um festzustellen, ob der es ebenfalls gesehen hatte. Doch Jeremy schaute nicht zur Decke hinauf. Er sah Archie an, und ein leises Lächeln spielte um seine Lippen.
»Wir sollten hier verschwinden«, sagte Archie. Ihm wurde warm, sein Kopf schwamm. Vielleicht war sein Blutdruck von der Hängeprozedur noch im Keller. Er versuchte aufzustehen, aber sein Magen machte einen Satz, als würde sich der Boden rasch auf und ab bewegen oder als wären sie in einem Boot bei starkem Wellengang, und er fiel auf die Knie.
Er schaute zu Jeremy, ob er es diesmal bemerkt hatte, aber Jeremy hatte sich nicht gerührt. Er saß immer noch da wie ein Mönch und beobachtete ihn. Dann gingen seine Augen zu der Flasche mit dem Zuckerwasser.
»Was hast du getan?«, fragte Archie. Ein warmes Kribbeln lief an seinem Rückgrat nach oben und an seinen Armen hinab, und er versuchte erneut aufzustehen, aber seine Beine versagten den Dienst.
Es kam ihm alles entsetzlich bekannt vor.
Archie versuchte, einen Arm zu heben, nach Jeremy auszustrecken, aber sein Gesichtsfeld schloss sich bereits, und in seinem Kopf drehte sich alles. Er fiel nach vorn in Jeremys Arme. Er hörte ein fleischiges Schmatzen und begriff nach einer Weile, dass es das Geräusch gewesen war, mit dem sein eigener Kiefer an Jeremys knochige Schulter geknallt war. Archies Gesicht rutschte ein Stück nach unten und kam an Jeremys haarloser und von Narben übersäter Brust zur Ruhe. Archie schmeckte Blut aus Jeremys Wunde, vermischt mit seinem eigenen Speichel, er hörte Jeremys Herzschlag, während sich sein eigener Puls unnatürlich verlangsamte. Es erforderte seine ganze Energie,
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