Greystone Saga: Mit Schwert und Feder: 1 (German Edition)
auf ihre Hände und stellte fest, dass sie zitterten. Was war nur los mit ihr? Mit einem Mal empfand sie es im Zimmer als furchtbar heiß – oder kam es ihr nur so vor? Sie wagte jedoch nicht, den Kopf zu heben und Ian danach zu fragen. Stattdessen richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Knopf. Endlich glitt er durch das Knopfloch – und gab nur noch mehr von seinem Oberkörper frei. Joanna biss sich auf die Lippen. Eilig wandte sie sich dem nächsten Knopf zu, heilfroh, dass es der letzte war. Als sie ihn geöffnet hatte, sah sie vorsichtig zu Ian auf. Er stand völlig regungslos, den Blick auf die Tür gerichtet. Das Leinentuch, welches sie ihm gegeben hatte, hielt er mit beiden Händen an seinen Körper gepresst. So wie es aussah, war er furchtbar genervt von ihr! Sie hätte ihm einfach ein Töpfchen mit Salbe in die Hand drücken und gehen lassen sollen. Rasch trat sie hinter ihn, um die Verletzungen auf seinem Rücken in Augenschein zu nehmen. Hoffentlich bekam er wenigstens von ihrer Verwirrung nichts mit! Er hielt sie sonst bestimmt für eine dieser empfindlichen Damen, die jeder stickige Raum sofort an den Rand einer Ohnmacht brachte, und ganz falsch würde er damit nicht liegen. Irgendwie vertrug sie seit kurzem diese Wärme nicht mehr. Sie schüttelte den Kopf und schob das Hemd von seinen Schultern ...
Ian starrte die Tür an und stellte sich verzweifelt vor, dass jemand hereinkäme – am besten Jake. Alleine dieser Gedanke hielt ihn noch davon ab, Joanna an seine Brust zu ziehen und zu küssen. Knopf um Knopf hatten ihre zarten Finger sein Hemd geöffnet und ihn an die Grenze dessen gebracht, was er als Mann aushalten konnte. Er drückte das Leinentuch fester vor seine Hüften, damit sie nicht sah, welches Verlangen ihre Berührungen an dieser Stelle seines Körpers entfacht hatten. In diesem Moment fuhren Joannas Hände über seine Schultern und streiften ihm das Hemd ab – und seiner Kehle entrang sich ein Stöhnen.
„Oh, tut mir leid, ich habe dir wehgetan.“ Sie klang besorgt. „Ich werde jetzt behutsamer sein.“
Krampfhaft fixierte er die Tür. Wenn sie nicht bald fertig war, konnte er für nichts mehr garantieren!
„Die Kratzer sind harmlos“, erklärte Joanna schließlich. „Ich könnte sie aber trotzdem -“
Ian hörte nicht mehr, was sie sagte. Er sprang auf und verließ fluchtartig das Zimmer. Für dieses unhöfliche Verhalten würde er später eine Ausrede erfinden, wenn mindestens zehn Leute mit ihnen im Raum waren.
Am Abend nahm Joanna seine Entschuldigung jedoch ohne weitere Nachfragen entgegen. Eine Weile überlegte Ian, ob er überhaupt noch alleine zu ihr in die Apotheke gehen sollte. Doch er entschied, dass diese Vorsichtsmaßnahme übertrieben wäre. Denn es würde bedeuten, sie kaum noch zu sehen. Und er war ehrlich genug mit sich selbst, zuzugeben, dass er das nicht ertragen würde – trotz all der damit verbundenen Gefahren, oder gerade deswegen .
Joanna stand auf dem Vorhof der Burg und beobachtete den Trubel, der um sie herum herrschte. Es war Ende September und alle Studenten verließen die Akademie, um das Erntedankfest zu Hause mit ihren Familien zu feiern. Ian begleitete wie besprochen Philipp of Melsing auf dessen Landsitz. Und das war auch gut so, sagte sie sich. Erstens wollte Philipp sich dort gründlich um Ians Reitkünste kümmern, zweitens war es für Ian eine wunderbare Gelegenheit, ein anderes Adelshaus kennenzulernen und drittens … und drittens gab ihr der Vorfall in der Apotheke vor ein paar Tagen immer noch zu denken. Mit abwesendem Blick hob sie den Arm und winkte seiner nun abfahrenden Kutsche hinterher.
Philipp streckte den Kopf aus dem Fenster und rief ihr zu: „Wenn alles nach Plan verläuft, reitet Ian bei unserer Rückkehr in vollem Galopp in den Hof ein.“
Joanna lächelte, als aus der Kutsche Ians verzweifelter Aufschrei erklang, gefolgt von Philipps lautem Lachen. Auf jeden Fall würden die beiden in den nächsten zwei Wochen viel Spaß miteinander haben. Sie drehte sich um und ging langsam in die verlassene Burg zurück.
12
„Du bist sicher, dass du nicht mitkommen willst?“ Philipp stand unschlüssig vor der Kutsche und sah Ian fragend an, doch Ian schüttelte den Kopf. Die Erntedankferien neigten sich dem Ende zu und sie befanden sich auf der Rückreise nach Greystone. Die Nacht hatten sie in einer Herberge in der Stadt Chesmuir verbracht, Greystone lag noch eine halbe Tagesreise entfernt. Philipp
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