Greystone Saga: Mit Schwert und Feder: 1 (German Edition)
und die Sonne schien ihr warm auf den Rücken. In einem anderen Wagen wurden Halfter und Stricke für die Pferde zur Koppel gebracht. Die Studenten sollten die Pferde einfangen und anschließend gab es für alle ein Mittagessen auf der Wiese, bevor der Heimweg mit den Tieren angetreten wurde. Joanna freute sich, dass die Pferde zurück nach Greystone kamen. Sie war eine leidenschaftliche, wenn auch keine herausragende Reiterin. Ian war sicherlich ein sehr guter Reiter. In Gedanken plante sie bereits einen gemeinsamen Reitausflug und war in Hochstimmung, als sie bei der Sommerkoppel eintrafen.
Der Rittmeister stieg aus dem Wagen und pfiff laut. Die Pferde, die sich in der Nähe des Gatters befanden, stellten die Ohren. Nach und nach kamen die Studenten, die den Weg zu Fuß zurückgelegt hatten, bei der Weide an. In Gruppen nahmen sie sich Halfter und Führstricke und kletterten über den Holzzaun auf die Koppel. Ian erschien als einer der Letzten in Begleitung von Laurentin.
„Guten Morgen, ihr zwei!“, rief Joanna fröhlich und schloss sich ihnen an. „Wir werden weit laufen müssen, um noch ein paar Pferde zu finden.“
„Hallo, Lady Joanna“, erwiderte Laurentin ihren Gruß und zwängte sich unter dem Koppelgatter durch.
Zögerlich folgte Ian seinem Freund auf die Weide und Joanna fiel auf, dass er nicht gut aussah. „Fühlst du dich wohl?“, fragte sie. „War es gestern doch zu viel Training?“
„Nein, danke, es geht mir ausgezeichnet.“ Sein Gesicht strafte seine Worte Lügen.
Argwöhnisch lief Joanna neben ihm her. So wie sie Ian bisher kannte, war er bei allen Angelegenheiten, die sich im Freien abspielten, stets bester Laune. Sie würde ihn beobachten und bei den ersten Anzeichen einer Krankheit sofort zur Burg zurückschicken. Die ersten Studenten kamen ihnen bereits mit ihren eingefangenen Pferden entgegen und riefen ihnen zu, dass noch Tiere am Waldrand ständen. Joanna stöhnte. „Habe ich es nicht gesagt? Sie sind in der äußersten Ecke.“ Nach einiger Zeit sahen sie fünf Pferde grasen, unter denen sich auch ihre Stute Butterfly befand. Joanna überlegte, ob sie die fünf zu dritt mitnehmen könnten, als aus der anderen Richtung Alexander und Philipp auftauchten. Sie nickten einander zu, dann näherten sie sich langsam den Tieren. Butterfly erkannte ihre Herrin sofort und trabte schnaubend zu ihr. Zügig legte sie der Stute das Halfter an, was diese sich gerne gefallen ließ. Joanna ergriff den Strick und schaute sich um, wie erfolgreich ihre Mitstreiter gewesen waren. Alexander, Laurentin und Philipp hatten es ihr gleichgetan und hielten ebenfalls ihre eingefangenen Tiere fest. Nur Ian stand mit dem Halfter in der Hand einige Schritte vom letzten freien Pferd entfernt und rührte sich nicht. Joanna wartete einen Moment, doch er bewegte sich nicht und das Pferd graste seelenruhig weiter. Das Ganze kam ihr seltsam vor. Mit Butterfly an der Hand ging sie zu ihm hin. „Warum fängst du es nicht ein?“
Er drehte sich zu ihr um. Seine Pupillen waren geweitet und er atmete schnell. Sein Blick fiel auf Butterfly und seine Atmung beschleunigte sich weiter. Inzwischen waren Laurentin, Alexander und Philipp mitsamt ihren Handpferden zu ihnen gekommen. Joanna fasste Ian am Arm an. „Sprich mit mir! Was hast du?“ Doch er reagierte nicht. Sein Verhalten wurde ihr unheimlich und sie schüttelte seinen Arm. „Komm, Ian, sag was!“, rief sie laut, um ihn aus seiner Starre zu lösen. Von ihrem Rufen erschreckt, riss das freie Pferd den Kopf hoch und galoppierte an ihnen vorbei. Die Handpferde begannen nervös zu tänzeln. Joanna ließ Ian los und griff Butterflys Strick mit beiden Händen. Als sich ihre Stute wieder beruhigt hatte, wandte sie sich zu ihm. In seinem Blick lag blankes Entsetzen. Mit einem Mal begriff sie und Philipp erkannte es ebenfalls.
„Laurentin, Alex“, sagte Philipp, „nehmt die vier Pferde und bringt sie nach vorne zum Gatter. Lady Joanna, Ian und ich kommen gleich nach. Gebt Bescheid, dass noch ein Tier frei ist.“ Er übergab Alexander sein Pferd und ging zu Joanna und Ian.
Joanna händigte Laurentin Butterfly aus, dann berührte sie Ian vorsichtig an den Schultern. „Es ist alles gut, die Tiere sind weg. Setz dich.“ Er sank ins Gras. Sein Gesicht war immer noch bleich. Joanna kniete sich neben ihn und strich ihm über den Rücken. Nach einer Weile ging sein Atem wieder langsam und gleichmäßig.
Philipp hatte sich bei ihnen auf den Boden niedergelassen.
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