Greystone Saga: Mit Schwert und Feder: 1 (German Edition)
geraume Weile gelaufen, als der Bärtige auf einmal hinter einem riesigen umgestürzten Baumstamm verschwand. Vorsichtig umrundete Ian das Hindernis. Die Wurzeln des umgefallenen Baumes hatten eine kleine Höhle ins Erdreich gerissen – das Versteck der Entführer. Im schwachen Schein einer Laterne saß dort der Bärtige zusammen mit zwei anderen Männern. Im Schutz des Baumstammes näherte sich Ian Schritt für Schritt der Höhle. Von Jake war im Lager nichts zu sehen. Er atmete scharf ein – es durfte nicht sein, dass sie ihm etwas angetan hatten! Geduckt schlich er weiter heran, sodass er die Männer verstehen konnte.
„Das war ein Kinderspiel“, hörte er den Bärtigen sagen. „Die Lady stirbt fast vor Angst, die würde sogar das Doppelte zahlen.“
Ein Mann mit einer Narbe auf der Stirn lachte hämisch. „Vielleicht sollten wir unsere Forderungen noch hinaufsetzen?“
„Nein.“ Jetzt sprach der dritte Mann, er schien der Anführer zu sein. „Darren, du löst jetzt Rupert auf seinem Posten an der Burg ab und übernimmst die Nachtwache.“
Der Narbige schlich ohne Widerrede davon. Ian ging in Deckung und lächelte zufrieden. Das waren genau die Auskünfte, die er brauchte.
„Steve“, der Anführer sah den Bärtigen an, „du schaust nach unserem Gefangenen und anschließend kannst du dich hinlegen. Morgen früh findet die Übergabe statt. Ich hoffe, sie sind schlau genug, sich genau an unsere Bedingungen zu halten – sonst kann die Lady gleich eine Beerdigung ausrichten.“
Ian war erleichtert. Jake lebte noch. Aber wo war er?Steve verließ die Erdhöhle und Ian folgte ihm langsam. Nach einigen Schritten begann der Mann unter den herabgefallenen Herbstblättern nach etwas zu suchen. Schließlich hatte er es gefunden – eine Leiter! Der Bärtige lehnte sie an eine Eiche, die nicht weit von dem Erdversteck entfernt stand. Mit zusammengekniffenen Augen verfolgte Ian, wie der Unterhändler die Leiter hinaufstieg. Und dann erkannte er das Ziel der Bemühungen. Auf einem Ast des Baumes saß eine Gestalt, deren Oberkörper und Arme an den Stamm gebunden waren: Jake. Ian stieß einen leisen Pfiff aus. Die Idee war ebenso genial wie grausam. Niemand würde auf einem Baum einen Gefangenen vermuten – weder die Soldaten der Burgwache noch irgendwelche Bauern, die zufällig das Lager fanden. Und da Jake gefesselt und geknebelt war, konnte er auch mögliche Retter nicht auf sich aufmerksam machen. Mittlerweile war der Mann namens Steve bei Jake angekommen. Er zog den Knebel herunter und gab ihm etwas zu trinken, wobei er unnötig grob vorging. Dann kletterte er die Leiter wieder hinunter, legte sie zurück ins Versteck und verschwand in der Erdhöhle.
Ian hatte genug gesehen. Bevor er jedoch zur Burg zurückkehrte, wollte er noch herausfinden, wie man vom Lager aus am schnellsten zur Straße gelangte. Vorsichtig schlich er um das Versteck herum und stand zu seiner eigenen Verwunderung bereits kurze Zeit später auf der Straße. Mit einigen Zweigen kennzeichnete er die Stelle, an der er den Wald verlassen hatte, dann betrat er wieder das Unterholz und lief so rasch er konnte nach Greystone.
„Nur vier Entführer – bist du sicher?“ Ungläubig starrte Galad Ian an, der gerade seine Beobachtungen geschildert hatte.
Ian nickte. „Dem Aussehen nach handelt es sich bei den Entführern um Tagelöhner. Da macht die geringe Anzahl Sinn: je weniger Leute, desto höher der Beuteanteil für jeden Einzelnen. Außerdem sind weniger Beteiligte für den Anführer besser zu kontrollieren.“
„Für die geringe Anzahl spricht auch das Versteck auf dem Baum“, sagte Adamo. „Sie müssen Jake nicht bewachen – auch vor wilden Tieren ist er dort oben geschützt, und ein eigenmächtiges Entkommen ist unmöglich. Und sollte Jake es trotzdem versuchen, ist die Gefahr groß, dass er herunterfällt und sich dabei alle Knochen bricht.“
„Nur vier Leute!“ Der Oberbefehlshaber schüttelte den Kopf. „Aber mit dem Lord als Geisel sind sie für uns unangreifbar. Ein Pfeil oder ein Messerwurf von diesen Bastarden würden ausreichen, um ihn vom Boden aus zu töten.“ Er schlug mit der Faust auf den Tisch. Joanna zuckte zusammen und Galad ergriff ihre Hand.
„Wenn wir Jake allerdings heimlich retten“, Adamos Augen funkelten, während er sprach, „dann können wir die Bande schnappen, bevor sie ihr abscheuliches Spiel noch bei anderen Familien versuchen.“ Der alte Fechtmeister sah Ian an. „Wäre es
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