Greystone Saga: Mit Schwert und Feder: 1 (German Edition)
Joanna auf. Was das zu bedeuten hatte, darüber wollte sie lieber nicht nachdenken …
Einige Stunden später erschien Joanna mit einem reich beladenen Essenstablett wieder im Krankenzimmer. Da Ian noch schlief, stellte sie es auf einem Tischchen neben seinem Bett ab und begann, ihm sanft über die Schulter zu streichen.
„Oh, da bist du schon!“, murmelte er und rieb sich die Augen.
„Schon?“ Joanna schaute ihn amüsiert an. „Es ist längst Abend. Ich habe dir etwas zu essen mitgebracht.“ Sie wies auf den kleinen Tisch.
Hungrig griff Ian zu und Joanna setzte sich – zu seinem Bedauern leider nicht wieder auf die Bettkante, sondern auf einen Stuhl, den sie sich geholt hatte. Während er aß, erzählte sie ihm von Ereignissen, die sich in seiner Abwesenheit in den Erntedankferien auf der Burg abgespielt hatten. Bald war von dem üppigen Mahl bis auf ein Törtchen nichts mehr übrig.
„Ian, das ist ja wie in alten Zeiten!“ Kichernd sah sie ihn an.
„Wolltest du nicht irgendetwas mit mir besprechen?“, fragte er und schnappte sich auch noch das Törtchen.
„Richtig. Ich habe mir Gedanken über die Entführung gemacht. Jake ist in einen Hinterhalt geraten. Aber wenn er die Gelegenheit dazu gehabt hätte, hätte er sich befreien können.“
Ian nickte zustimmend, auch wenn er nicht wusste, auf was Joanna hinaus wollte.
„Ich habe mir vorgestellt, was gewesen wäre, wenn sie mich statt Jake gefangen genommen hätten.“ Verzweifelt sah sie ihn an. „Ian, ich kann mich überhaupt nicht wehren, sie könnten mit mir machen, was sie wollen, ich -“
„Ich würde dich retten, bevor sie dir etwas antun“, unterbrach er sie.
„Aber du bist nur noch ein halbes Jahr da!“
Bevor Ian entscheiden konnte, wie er diesen Satz bewerten sollte, sprach Joanna weiter: „Ich habe Angst, diese Entführung könnte sich wiederholen, und bei dieser Vorstellung fühle ich mich furchtbar hilflos.“
Er spürte, dass sie jetzt zum Kern dieser Unterhaltung kommen würde.
„Erinnerst du dich, wie du mir vor ein paar Monaten erzählt hast, alle Frauen aus deinem Dorf könnten mit einem Messer umgehen? Wer hat es ihnen beigebracht?“
In diesem Moment erkannte Ian ihre Absicht. „Oh nein, Joanna, vergiss das ganz schnell wieder! Ich unterrichte dich nicht.“ Fieberhaft suchte er nach einem Argument, das dagegen sprach. „Jake wird es nicht erlauben.“
„Jake braucht davon nichts zu wissen“, erwiderte sie triumphierend.
Ian, der den letzten Bissen des Törtchens im Mund hatte, verschluckte sich und begann zu husten.
Joanna nutzte seine Sprachlosigkeit. „Ich habe das alles genau durchdacht. Wir üben im Kräuterhaus: An den Fenstern sind Vorhänge angebracht, die wir zuziehen können, und ich besitze einen Schlüssel und kann die Tür von innen verschließen. Niemand wird je davon erfahren.“
„Und wenn doch jemand merkt, dass wir dort drin sind?“, brachte Ian immer noch hustend hervor.
„Dann sagen wir, du bist da, um mir zu helfen. Das wäre nicht gelogen. Jeder weiß, du hilfst mir oft in der Apotheke.“
„Und wie erklärst du die verschlossene Tür?“
Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das ist doch klar. Zum Schutz vor Verbrechern, die uns entführen wollen.“
„Natürlich, weil ich mich auch nicht verteidigen kann“, bemerkte er ironisch.
Joanna änderte ihre Taktik. „Ach Ian, bitte.“ Ihre Stimme klang zuckersüß und ihr Blick war engelsgleich. „Du kannst doch so gut unterrichten. Ich wäre dir ewig dankbar.“
Er verdrehte die Augen.
„Lass es uns nur einmal versuchen“, sagte sie. „Und wenn du dann immer noch dagegen bist, werde ich nichts mehr sagen.“
Ian schwieg. Die Vorstellung, Jake gegen sich aufzubringen, gefiel ihm nicht. Andererseits war die Möglichkeit, mehr Zeit mit Joanna alleine zu verbringen, sehr verlockend. „Gut, aber meine Zustimmung gilt zuerst nur für ein Training.“
Zufrieden lächelte sie ihn an. „Dann beginnen wir nächsten Samstagabend. Versprochen?“
Er nickte. Das Gefühl, gerade sein eigenes Grab geschaufelt zu haben, blieb.
Joanna, die seinen missmutigen Blick richtig deutete, wechselte das Thema. „Wie war es denn eigentlich bei Philipp und den Pferden?“
Bereitwillig ließ er sich darauf ein und berichtete von seinem Aufenthalt in Burg Melsing. Nach einiger Zeit wurde er müde, was ihr nicht entging.
„Ich lasse dich jetzt besser schlafen“, sagte sie und stand von ihrem Stuhl auf.
Diesmal widersprach er
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