Greystone Saga: Mit Schwert und Feder: 1 (German Edition)
und Titel steckst, dann willst du doch bestimmt auch einen Erben, oder? Also musst du heiraten.“ Betrübt lächelte sie ihn an. „Aber wenn es wirklich so lange dauert, dann bin ich als Kandidatin aus dem Rennen. Du brauchst eine junge Frau, die noch Kinder bekommen kann.“
Es dauerte einen Moment, bis Ian klar war, was Joanna gerade gesagt hatte. Sein Herzschlag beschleunigte sich. „Du würdest mich heiraten wollen?“
Doch Joanna musste seine Frage falsch verstanden haben. „Keine Angst, soweit wird es nicht kommen. Du bist mein Freund, aber deshalb erwarte ich von dir nicht, dass du mich vor einem Dasein als alte Jungfer bewahrst. Außerdem lässt Jake mich sicher keine fünfzehn Jahre mehr warten, auch wenn wir es noch so gemächlich angehen lassen wollen.“ Sie erhob sich. „Es ist spät geworden.“
Ian stand auf. Schlussendlich hatte Joanna weder mit Ja noch mit Nein geantwortet. Er fragte sich, ob sie das mit Absicht getan hatte. Schweigend gingen sie gemeinsam zur Zimmertür. „Weißt du“, fragte er, „dass ich dein Zimmer heute Abend zum ersten Mal durch die Tür betreten habe?“
Sie lächelte. „Das darfst du gerne öfters tun. Obwohl die Sache mit dem Fenster durchaus ihren Reiz hatte.“
Er verbeugte sich vor ihr. „Es war ein schöner Abend. Danke für deine Einladung.“
„Was soll diese Förmlichkeit?“, wunderte sie sich.
„Na ja, ich stehe weiterhin unter Jakes Beobachtung und will mich in einwandfreiem Verhalten üben“, erwiderte er verschmitzt.
Joanna ging an ihm vorbei und öffnete die Tür. Sie schaute den Flur auf und ab, dann drehte sie sich wieder zu ihm. „Ich kann absolut keine Spur von meinem Bruder entdecken. Deshalb verabschiede ich mich so von dir, wie ich es für richtig halte.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, legte ihre Hände auf seine Schultern und küsste ihn auf die Wange. „Ich wünsche dir eine gute Nacht und schöne Träume“, sagte sie, bevor sie die Tür schloss.
Pfeifend trat Ian den Weg in sein Zimmer an – sicher, gerade die Antwort auf seine Frage erhalten zu haben. Er würde dringend zusehen müssen, an Land und Titel zu kommen. Die Chance, dies in kurzer Zeit zu erreichen, war allerdings gleich Null. Aber hatten seine Chancen nicht schon immer bei Null gelegen? Und dafür war er weit gekommen. Beschwingt ging er weiter. Und was seine Träume in dieser Nacht betraf, die würden mit Sicherheit schön werden. Vielleicht nicht ganz das, was sich Joanna unter schönen Träumen vorstellte … aber woher wusste er eigentlich, wovon sie träumte?
17
„Verdammt, Laurentin! Pass auf deine Deckung auf!“ Ians Stimme donnerte durch die Waffenhalle.
Doch Laurentin, der gerade mit Colin focht, folgte der unüberhörbaren Anweisung nicht, sondern ließ sein Schwert sinken und lachte: „ Ian ist nervös, Ian ist nervös …“
Ian schritt auf ihn zu. „Was soll das kindische Gehabe?“
„Du hast uns heute Morgen schon zum dritten Mal angeschrien“, antwortete Laurentin. „Du bist aufgeregt wegen der Zwischenprüfung, weil du Angst hast, dass wir durchfallen.“
„Ich schreie überhaupt nicht!“, rief Ian.
„Da, du macht es schon wieder.“
Betroffen sah Ian seinen Freund an. „Das wollte ich nicht.“
Laurentin tätschelte ihm die Schulter. „Keine Angst, das machen alle guten Lehrer mit ihren Schülern, kurz bevor sie sie in eine Prüfung schicken.“
„Da muss ich ihm zustimmen.“ Jake war unbemerkt zu ihnen getreten. „Ihr seid sehr fleißig für einen Samstag. Ich bin gekommen, um mit Ian zu trainieren.“
Es schien Ian, dass nicht nur er ein Déjà-vu hatte. Auch die anderen schauten auf einmal sehr angespannt. Seit dem verhängnisvollen Morgen, an dem Jake ihn absichtlich verletzt hatte, hatten sie nicht mehr gegeneinander gekämpft. Und wie damals war es Laurentin, der ihm mit einer Antwort zuvor kam: „Ian kann nicht mit Euch kämpfen, Lord Greystone. Er übt noch mit uns.“
Überrascht blickte der Earl Laurentin an. Insgeheim bewunderte er dessen Mut, sich für Ian gegen ihn zu stellen. Und so sagte er schmunzelnd: „Laurentin, geht in die Küche und holt Kuchen. Wir werden sicher nachher alle Hunger haben. Ich hätte gerne selbst welchen mitgebracht, aber sie haben behauptet , sie hätten keinen.“ Als der junge Mann sich nicht vom Fleck bewegte, fügte er barscher hinzu: „Ian wird nichts passieren. Ich will mit ihm kämpfen, nicht gegen ihn.“ Dann wandte er sich an die anderen Studenten
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