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Greywalker

Greywalker

Titel: Greywalker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Richardson
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Jeder brüllte, alle brüllten auf einmal. Ihr Blut, jetzt das meine, ergoss sich erneut. Und die Kraft ihrer Seelen blitzte auf, weiß wie das heißeste Feuer, ehe sie den Raum durchflutete, auf die einzelnen Symbole traf und den ganzen Keller in einem phosphorweißen Blitz erstrahlen ließ. Der Zauber war vollbracht.«
    Stille.
    »Ich spürte, wie etwas in meiner Brust zerbarst. Dunkelheit übermannte mich, aber ich hörte noch, wie Edward tanzte, wie er lachte. Er kniete sich neben mich und berührte meinen Kopf.
    ›Das hast du gut gemacht, sagte er. Obwohl mich der helle Blitz geblendet hatte, erkannte ich den flüchtigen Schein der gestohlenen Macht. Wie er pulsierte!
    Ich griff nach ihm und erlitt Tausend Qualen. Dann stürzte ich wie ein verletzter Säugling zu Boden, unfähig zu sprechen oder mich zu bewegen.
    ›Ich werde immer in deinem Herzen sein.‹ Er lachte laut auf und überließ mich dann meiner Einsamkeit.«
    Carlos’ Worte verloren allmählich ihre Macht, sogen jedoch noch die letzte Energie aus mir.
    »Das Erdbeben und die läutenden Glocken von La Giraldas schwankendem Turm weckten mich schließlich auf. Die Sonne war inzwischen aufgegangen und erreichte den Keller durch diverse Risse und Fensterspalten. Ich verkroch mich in die dunkelste Ecke und versuchte mich vor dem überwältigenden Zorn zu verbergen, den unser Zauber – angetrieben durch die Tode und mein Blut – in die Erde geleitet hatte. Es war viel mehr, viel schlimmer, als ich es gewollt hatte. Es war eine grandiose und sinnlose Zerstörungswut, die Edwards Boshaftigkeit und Hass entsprach.
    Lissabon stürzte ein. Das Erdbeben forderte seinen Tribut, die Fluten nagten an den Grundmauern der Stadt und das Feuer fraß das, was übrig blieb. Sechzigtausend deiner und meiner Artgenossen fanden dort ihr Ende.
    Und alles umsonst. Diejenigen von uns, die überlebten, verließen die Stadt, und Edward war der König eines Niemandslandes.
    Er entriss mir die Süße der toten Seelen und benutzte sie für seine Zwecke. Dann erstach er mich und überließ mich dem Tod. Die Spitze seines Messers steckt noch heute in meinem Herzen. Sobald ich einen Weg finde, sie zu entfernen, wird er diese zwei Dutzend Tode für mich sterben. Einen nach dem anderen.«
    Carlos schwieg und ich sprang auf, stolperte aus dem Zimmer. Er vermied es, mich zu berühren, begleitete mich aber noch zur Ladentür und auf die Straße hinaus. Er schüttelte seinen massigen Körper und wurde wieder zu dem Mann, der mich vor einer halben Ewigkeit begrüßt hatte.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    Ich schluckte heftig und versuchte soviel Normalität wie möglich in mich aufzusaugen, um mich nicht auf der Stelle zu übergeben.
    »Du presst deine Hand auf den Bauch als wärst du schwanger. Leidest du an einem empfindlichen Magen?«
    Ich konnte gerade noch eine Erklärung ächzen: »Ich mag keine Horrorfilme, denn meine Vorstellungskraft ist einfach zu ausgeprägt.«
    »Du hast es wissen wollen. Kommst du zurecht?«
    »Wird schon werden«, stammelte ich.
    »Gut. Wenn du etwas brauchst, ruf mich an. Ich möchte ihn leiden sehen. Genau so, wie er mich in Qualen zurückgelassen hat.«
    Ich ließ ihn stehen und überquerte die Straße, geradewegs auf eine Straßenlampe zu. Am liebsten wäre ich, so schnell mich meine Füße trugen, gerannt, aber ich wagte es nicht, solange Carlos mich noch sehen konnte.
    Nachdem ich um eine Ecke gebogen war, hastete ich zu meinem Wagen und kroch hinein. Als Erstes verriegelte ich die Tür hinter mir. Mein Magen zog sich vor Übelkeit zusammen und vor meinen Augen drehte sich alles. Meine Glieder schmerzten und in meinem Kopf pochte es.
    Als ich mich schließlich auf der Brücke befand und es nicht mehr weit bis nach Hause war, ließen die Krämpfe nach, doch die restlichen Symptome blieben.
    Kaum hatte mein Kopf das Kissen berührt, sank ich sofort in tiefen Schlaf. Ich schlief fest, aber nicht erholsam. Immer wieder quälten mich Albträume. Einmal stürzte ich ins Badezimmer, um mich zu übergeben. Erst um elf Uhr vormittags kam ich schließlich zu mir.
    Ich fühlte mich nur unwesentlich besser, nachdem ich aufgestanden war. Lange stand ich unter der heißen Dusche. Chaos schaute vorbei, entschloss sich aber, nicht mit in die Wanne zu springen. Als ich herausstieg, leckte er mir die Füße und Fesseln trocken, während er aufgeregt hin und her tanzte. Das Wasser muss wohl süßer schmecken, wenn man es vom Fuß eines anderen leckt, dachte ich und

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