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Greywalker

Greywalker

Titel: Greywalker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Richardson
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lachte über seine verspielte Art, obwohl meine Glieder und mein Kopf noch immer ziemlich weh taten.
    Ich entschloss mich, heute zur Abwechslung einmal einen Rock anzuziehen, da mich die Berührung einer Jeans nur an Seile und Gefängnis erinnert hätte. Chaos und ich balgten uns um mein Frühstück, bis ich einen glorreichen Sieg davontrug, indem ich ihn kurzerhand in den Käfig sperrte, ehe ich mich ins Büro aufmachte.
    Lenore Fabrette rief um Viertel nach drei an. Sie war auf der Fähre in Bremerton und wollte wissen, wie sie am besten zu mir kam. Ich erklärte ihr den kürzesten Weg und meinte, dass ich mich freute, sie persönlich kennen zu lernen. Kurz vor fünf klopfte sie an die Tür.
    Sie war viel zu dünn und hatte strohiges Haar. Ihre Schultern hingen herab und man sah ihr an, dass sie viel Grausamkeit erlebt hatte.
    Ich stand vom Schreibtisch auf und reichte ihr die Hand.
    »Mrs Fabrette? Ich bin Harper Blaine. Setzen Sie sich doch bitte.«
    Sie sank auf den Besucherstuhl. »Können wir das bitte so schnell wie möglich hinter uns bringen? Ich habe mich schon den ganzen Tag mit der Marine herumgeplagt und bin fix und fertig. Ich möchte nur noch nach Hause.«
    »Natürlich. Darf ich Ihnen eine Frage stellen?«
    »Klar, schießen Sie los.«
    »Gibt oder gab es vielleicht irgendetwas Ungewöhnliches im Zusammenhang mit dem Harmonium?«
    Sie kniff sich mit ihren nikotinbraunen Fingern in die Unterlippe. »Abgesehen von der Tatsache, dass es extrem hässlich war? Eigentlich nicht. Aber es war wirklich schrecklich, und mein Sohn bekam davon immer Albträume.«
    »Albträume? Wie alt ist Ihr Sohn?«
    »Jetzt ist er zwölf, aber damals war er sechs, als wir einzogen. Ich hoffe, dass das Museum sich nicht eines Tages beschwert, denn ich will das Ding garantiert nicht zurück haben.« Fabrette zupfte an ihrer Lippe herum. »Also – wollen Sie nun diese Papiere sehen oder nicht?«, fragte sie und legte eine Hand auf die Tasche in ihrem Schoß.
    »Ich bitte darum.«
    Sie holte einen Umschlag heraus und klatschte ihn auf den Schreibtisch.
    »Hier. Sehen Sie es sich an, und sagen Sie mir dann, was Sie davon halten.«
    Ich zog zwei fotokopierte Blätter aus dem Umschlag. Bei einem handelte es sich um eine Schätzung der Versicherung, die das Harmonium mit einem Wert von zweitausendfünfhundert Dollar veranschlagte, während das andere eine Quittung für das Harmonium war, dessen Beschreibung genau Sergeyevs Familienerbstück entsprach.
    »Verdammt«, entfuhr es mir, als ich mir den Briefkopf der Quittung ansah.
    »Was ist?«, fragte Mrs Fabrette und streckte die Hand aus, um mir die Dokumente wieder abzunehmen.
    »Das Harmonium wurde dem Madison-Forrest-Geschichtsmuseum von Seattle gestiftet«, sagte ich.
    Sie sah mich fragend an. »Und? Was heißt das? Ist es schlimm?«
    »Nein, schlimm nicht … aber es war zwanzig Jahre lang in Seattle, wurde dann für zehn nach Anacortes verfrachtet, um schließlich fünf Kilometer von hier entfernt auf uns zu warten.«
    »Heißt das, dass Sie kein Interesse an den Papieren haben?«
    »Nein, das heißt es ganz und gar nicht. Ich will sie, und mein Klient sicher auch, und Sie haben sich als sehr hilfsbereit erwiesen.« Ich verstaute den Umschlag in einer Schublade und zog den Scheck hervor, den ich vorbereitet hatte. Ich reichte ihn ihr. »Das ist die Bezahlung, die mein Klient für angemessen hält. Sie brauchen nur noch diese Quittung hier zu unterschreiben«, fügte ich hinzu und schob ihr ein Blatt und einen Stift zu.
    Sie musterte den Scheck und starrte mich dann erstaunt an. »Das sind ja fünfhundert Dollar«, flüsterte sie ehrfurchtsvoll. »Sind Sie sich sicher, dass das seine Richtigkeit hat?«
    »Ja, darauf können Sie sich verlassen. Unterzeichnen Sie bitte einfach die Quittung.«
    Sie schwieg, ergriff den Stift und setzte ihre Unterschrift unter den Betrag.
    Dann gab sie mir das Papier zurück. »Und Sie sind absolut sicher?«
    Ich nahm es entgegen und legte es ebenfalls in die Schublade. Dann lächelte ich sie aufmunternd an. »Ja, das bin ich. Vielen Dank, dass Sie sich die Mühe gemacht haben hierher zu kommen, Lenore. Sie haben mir sehr geholfen.«
    Sie nickte, stand auf und ging so langsam zur Tür, als ob sie erwartete, doch noch von mir zurückgehalten zu werden, damit ich ihr den Scheck wieder entreißen könnte.
    Nachdem sie die Tür hinter sich ins Schloss gezogen hatte, schüttelte ich traurig den Kopf und schluckte mein Mitgefühl für sie hinunter, das

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