Greywalker
zurück, uns zu helfen, so groß ist sein Hass auf Edward.«
»Wirklich?«
»Ja. Auch Alice hasst Edward, aber in ihrem Fall ist es eher eine Begleiterscheinung ihres großen Ehrgeizes. Auf jeden Fall ist Hass der springende Punkt. Darauf werde ich mich konzentrieren. Aber wir müssen ausgesprochen vorsichtig sein. Ich kann es mir nicht leisten, die Kontrolle über die Situation zu verlieren. Carlos oder Alice würden das sofort ausnutzen. Das bedeutet auch, dass du eine Zeit lang verschwinden musst.«
»Ich werde dir schon nicht in die Quere kommen oder etwas Dummes machen«, protestierte Cameron.
»Darum geht es nicht, Cam. Ich möchte einfach nicht, dass dir etwas zustößt, falls etwas schief läuft. Und ich möchte auch nicht, dass man mich mit dir erpressen kann. Sobald es nämlich anfängt unangenehm zu werden, wird Edward nicht lange fackeln und sich einen Sündenbock suchen. Und wir wollen nicht, dass er dabei auf dich kommt.«
»Aber wie sieht es mit dir aus? Wird er dir denn nichts antun wollen?«
»Das kann man natürlich nicht ausschließen, aber dafür bezahlst du mich ja schließlich.«
»Mann«, sagte er und schüttelte fassungslos den Kopf. »Vielleicht hätte ich dich doch nicht bitten sollen, mir aus der Patsche zu helfen. Vielleicht sollte ich einfach alles auf sich beruhen lassen.«
»Wenn du das willst, können wir es gerne abblasen. Aber danach zu urteilen, was Carlos mir gestern erzählt hat, glaube ich nicht, dass wir eine Wahl haben.«
Cameron sah mich fragend an. »Was hat er denn erzählt?«
»Anscheinend hat es mit dem Vampirdasein mehr auf sich als nur ein bisschen Blut zu saugen. Ich habe nicht alles verstanden, aber ich habe den Eindruck, dass man ohne das richtige Training und ohne vernünftige … Ernährung langsam aber sicher dahinsiecht und schließlich stirbt.« Ich unterbrach mich und überlegte, ob das vielleicht der Grund dafür sein konnte, warum Cameron nicht dieselbe Aura hatte wie die anderen Vampire.
»Einfach auf eine mögliche Aussöhnung mit Edward zu verzichten oder in eine andere Stadt zu ziehen und auf einen neuen Anfang zu hoffen, würde das Unvermeidliche vielleicht hinauszögern, aber nicht verhindern. Wenn du hier bleibst, wird sich Edward früher oder später mit dir befassen müssen, denn du wirst eine Art Bedrohung für die Gemeinschaft sein.«
»Ich stelle doch keine Bedrohung dar! Ich tue doch gar nichts.«
»Allein deine Existenz außerhalb dieser eingeschworenen Gemeinschaft ist eine Gefahr. Denk darüber nach und überlege dir außerdem, wo du dich verstecken kannst, bis alles vorüber ist.«
»Ich hatte ja keine Ahnung, dass man für ein Vampirleben auch eine Sicherheitsexpertin braucht.« Er stand auf. »Ich werde schon etwas finden, mach dir um mich keine Sorgen. Aber was willst du als Nächstes tun?«
»Ein bisschen Unruhe stiften.«
Als Cameron verschwunden war, verdrängte ich das mulmige Gefühl in meinem Bauch und ging zum Pioneer Square, um Vampire zu suchen.
Die Nacht wimmelte nur so von Geistern, die auf grauen Wogen daherritten oder auf Lichtsäulen die Dunkelheit durchstreiften. Freitagnacht war Party angesagt, ganz gleich, ob man tot oder lebendig war. Der historische Kern der Stadt mit seiner Vielzahl von Lokalen mit Pauschalpreisen und seinen unzähligen Bars galt als Anlaufstelle für Party-Süchtige. Es standen drei Namen von Vampiren auf meiner Liste, die ich in diesem Viertel finden sollte, aber trotz größter Anstrengung meinerseits wollte nur einer von ihnen mit mir sprechen. Der Erste antwortete zuerst ausweichend und riet mir dann, mich so schnell wie möglich zu verziehen. Der Nächste speiste mich mit einer Geschichte voller Belanglosigkeiten ab, die mir aber zeigte, dass ich auch hier auf das falsche Pferd setzen würde. Der Dritte drohte klipp und klar, mich umzubringen.
Ich gab also auf und machte mich auf den Weg zu meinem Auto, als ich aus dem Augenwinkel etwas Grün-Rotes erspähte. Ich drehte mich um.
Alice stand unter einer Straßenlampe und schenkte mir ihr Femme-fatale-Lächeln, ehe sie in die Dunkelheit zurückwich und verschwand. Als sie sich bewegte, erkannte ich ihre Körperform im Schatten. Es war dieselbe Gestalt wie in jener Nacht, in der ich Quinton getroffen hatte – derselbe Schatten, der mich in die mit Grau angefüllte Gasse gelockt hatte. Vergangene Nacht hatte sie also mit mir gespielt. Sie hatte erklärt, sie wüsste, wer ich sei. Aber warum spionierte sie mir schon so lange
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