Greywalker
sich mit dem Entwirren von Todessträngen auskennen. Ein weiterer Nekromant würde ausreichen, aber hier in der Gegend gibt es keine anderen. Die Macht von Hexen ist hier nicht sehr wirkungsvoll. Entweder gar keine oder gleich mindestens ein Dutzend.«
Mein Gehirn war noch nicht ganz eingefroren, obwohl mir sehr kalt war. »Und wie viele Vampire?«
Carlos und Mara starrten mich verblüfft an.
»Wie bitte?«, fragte Mara.
»Wie viele Vampire brauchte man?«, wiederholte ich. »Vampire müssen als Untote doch auch Macht über den Tod haben, oder nicht?«
Carlos runzelte die Stirn. »Ich hätte nicht gedacht, dass …«
»Warum eigentlich nicht?«, fragte Mara. Sie drehte sich zu Carlos um. »Könnte es funktionieren?«
»Nachdem der Geist freigesetzt ist – vielleicht.«
Ich legte meine Stirn auf die Knie, entkräftet und angeschlagen. Ungeordnete Gedanken schwirrten mir durch den Kopf. Wygans Stimme hallte in mir wider, wie er mir erklärt hatte, sein Geschenk würde mich am Leben erhalten. Ich konnte nur bitter darüber lachen.
Wir trennten uns, um zu planen und Vorbereitungen zu treffen. Ich entschied mich, erst einmal etwas zu trinken und mich dann schlafen zu legen. Der Rest konnte bis morgen warten.
Die einzige Entscheidung, die mir am Mittwochabend blieb, war die, was ich zu meinem Treffen mit Edward anziehen sollte. Ich entschied mich für ein verführerisch geschnittenes Kleid und hochhackige Schuhe, obwohl ich das Gefühl nicht los wurde, mich für meine Beerdigung etwas zu sehr aufgetakelt zu haben. Außerdem musste ich feststellen, dass meine Jacke für solche Gelegenheiten nicht genügend Platz für mein Pistolenhalfter bot. Aber eine Schusswaffe würde gegen Vampire sowieso nicht viel ausrichten. Trotzdem fühlte ich mich ohne sie irgendwie nackt. Ich fühlte mich wahrscheinlich noch hilfloser als Sergeyev – oder wie auch immer er heißen mochte.
Cameron wartete bereits auf der Straße vor meinem Büro auf mich. Seine Augen weiteten sich, als er mich sah, und ein anerkennendes Lächeln erhellte sein Gesicht. »Du siehst toll aus!«
Meine Stimme klang sehr kühl. »Das ist kein Date, Cameron. Ich fühle mich wie ein Schaf, das zur Schlachtbank geführt werden soll.«
Er folgte mir die Treppe hinauf. »Bist du nervös?«
»Warum?«
»Du scheinst irgendwie angespannt zu sein. Und außerdem siehst du komisch aus.«
»Du hast doch gerade behauptet, dass ich toll aussehen würde.«
»Ich meine, du siehst so … so hart aus. Irgendwie gepanzert.«
Ich ließ mich auf meinen Stuhl sinken. »Na, wunderbar.« Dabei fühlte ich mich alles andere als gepanzert. »Okay, jetzt hör mir mal zu. Ich habe dir ja schon gesagt, dass wir etwas zu besprechen haben.«
»Ja. Was ist los?«
»Die Lage hat sich geändert.«
»Du gibst mich auf, nicht wahr? Du lässt mich fallen.«
»Würde ich mich etwa so aufbrezeln, wenn ich das vorhätte? Nein. Ich gebe zwar zu, dass ich es schon ein paar Mal in Erwägung gezogen habe, aber inzwischen bleibt mir gar keine andere Wahl mehr, als dir zu helfen. Außerdem wäre es moralisch nicht vertretbar.«
Er stand auf. »Aber du möchtest trotzdem nicht mehr für mich arbeiten. Ich verstehe.«
Ich warf ihm einen wütenden Blick zu. »Nein, das tust du nicht. Wir haben etwas gemeinsam. Weder du noch ich hatten auch nur einen blassen Schimmer, wie Vampire wirklich sind, als wir den Vertrag miteinander gemacht haben. Das ist mir unter ausgesprochen unangenehmen Umständen bewusst geworden. Immerhin werde ich nicht zu einem Vampir. Ich lebe immer noch in der menschlichen Welt mit menschlichen Regeln. Was du bist und was du tun musst, um zu überleben, ist deine Sache, die weit über meine Vorstellungskraft hinausgeht. Allein der Gedanke macht mich verrückt.«
»Ging mir genauso«, murmelte er.
»Ich weiß. Deshalb höre ich auch nicht auf. Und abgesehen von der Tatsache, dass wir einen Vertrag haben, stecke ich selbst auch ganz schön in der Patsche und brauche deine Hilfe genauso wie du meine brauchst.«
Dann erzählte ich ihm von Wygan und dem Faden Grau in meiner Brust. Er sah mich schockiert an.
»Das ist alles meine Schuld.«
Ich rollte mit den Augen. »Es sieht ganz so aus, als ob jeder etwas von der Schuld abhaben möchte. Es war allein mein Fehler. Und er kann nicht mehr rückgängig gemacht werden – zumindest wüsste ich nicht, wie. Aber das soll nicht heißen, dass man sich einfach damit abfinden muss. Momentan gibt es aber andere, dringendere Dinge wie
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