Greywalker
Mikey! Schließe doch bitte der Dame auf, okay?«
Die Antwort folgte prompt: »Michael! Nicht Mikey, du Stabschrecke! Du bekommst heute keinen Nachtisch!«
Als ich vor Michael stand, bemerkte ich, dass er das gleiche Grinsen hatte wie William Novak. Er schloss die Tür, die in das große Rolltor eingebaut war, für mich auf. »Also, dann wohl bis morgen.«
»Worauf Sie sich verlassen können«, erwiderte ich und ging hinaus.
Er winkte mir nach, als ich über den Parkplatz zu meinem Wagen ging.
Der Regen hatte eine Verschnaufpause eingelegt, wie er das um diese Jahreszeit des Öfteren tat, und es nieselte nur noch ganz leicht. Die Luft wirkte feuchter und frischer als der trockene, unheimliche Nebel, der Schwindelgefühle und den Gestank nach Tod mit sich brachte. Auf dem Weg über den mittlerweile fast leeren Parkplatz rutschte ich ab und zu auf dem feuchten Boden aus. Außer meinem Auto standen nur noch ein Transporter und die gesichtslose Limousine von vorhin auf dem Platz. Ihr Motor wurde gerade angelassen und sie fuhr langsam an, als ich meinen Wagen erreichte. Die Scheinwerfer blendeten mich, und ich wich instinktiv dem starken Licht aus, indem ich den Blick senkte.
Die Reifen quietschten auf dem feuchten Untergrund, als die Kupplung losgelassen wurde und der Motor aufheulte. Es war verdammt laut. Und wurde immer lauter. Ich sah hoch und blickte direkt in die grellen Scheinwerfer. Obwohl ich es kaum fassen konnte – es ließ sich nicht leugnen: das Auto raste direkt auf mich zu.
Zehn
Verdammt. Es sah ganz so aus, als ob ich böse in der Tinte saß – sehr böse sogar. Der Wagen schien nur noch aus blendenden Scheinwerfern zu bestehen, die auf mich zuflogen. Meine Finger bewegten sich instinktiv unter meine Jacke und zur Pistole. Ich umschloss sie fest und warf mich zur Seite. Als ich fiel, kam es mir so vor, als ob ich durch luftleeren Raum stürzen würde. Ich fiel …
fiel …
und fiel …
durch einen sich windenden, nach Verwesung stinkenden Nebel …
und landete mit einer halben Rolle auf dem Boden. Ein heißer Wind – wie der Atem eines Monsters – blies mir ins Gesicht und über meinen Körper und schien mich niederzudrücken, als der Wagen an mir vorbeiraste. Nasse Kieselsteinchen prallten gegen meine Lederjacke und trafen schmerzhaft meine Wangen.
Ich zog mich so rasch ich konnte hoch in die Hocke und zielte mit der Pistole auf den Wagen.
Ein sicherer Schuss war nicht möglich. Das Auto schoss mit kreischenden Reifen vom Parkplatz und fuhr auf die Straße hinaus. Hastig sprang ich auf, schob die Waffe zurück ins Halfter und zerrte die Wagenschlüssel aus der Hosentasche. Ich rannte zu meinem Auto und schloss es hastig auf. Als ich endlich auf dem Fahrersitz saß, war jedoch keine Limousine mehr zu sehen … Ich wusste nur, dass sie in den dichten Verkehr auf der Aurora Avenue Richtung Norden eingetaucht war.
Wütend schrie ich auf und hämmerte auf das Lenkrad ein. »Verdammt! Verdammt!«
Ich ließ mich in den Sitz zurückfallen, fuhr mir mit den Händen durch die Haare und atmete tief durch, bis sich das Adrenalin, das durch meine Adern raste, wieder etwas beruhigt hatte. Dann stieg ich noch einmal aus, um meine Tasche zu holen, die ich in der Aufregung liegen gelassen hatte. Ich fühlte mich, als ob ich viel zu viel oder viel zu wenig getrunken hätte. Mein ganzer Körper zitterte und meine Knie waren butterweich. Ich las einige auf dem Boden verstreute Sachen auf und stopfte sie in meine Tasche, ehe ich zum Auto zurückging.
Um 19.34 Uhr verließ William Novak das Lagerhaus. Ich war noch immer damit beschäftigt, mich wieder in den Griff zu kriegen. Er ging zu dem Transporter, der noch auf dem Parkplatz stand, änderte dann aber die Richtung und kam durch den Nieselregen auf meinen Wagen zu. Sanft klopfte er an mein Fenster.
Ich kurbelte es herunter. »Gibt es Probleme?«, wollte er wissen.
»Jetzt nicht mehr.«
»Sind Sie ganz sicher? Sie haben nämlich Blut an der Wange.«
»Na ja, schließlich hat ja auch jemand versucht, mich zu überfahren.«
»Und das soll kein Problem sein?«
»Wie Sie sehen, lebe ich noch, und der Kerl ist schon längst über alle Berge. Leider konnte ich das Kennzeichen nicht erkennen. Und ich brauche jetzt wirklich dringend etwas zu trinken.«
»Da ist ein guter Italiener um die Ecke, der bis zehn offen hat. Dort gibt es einige Cocktails zur Auswahl, auch wenn die Bar nicht viel größer ist als das Kabinettschränkchen, das Sie für sich
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