Grieche sucht Griechin - Grotesken
aufhörten, bis er die Türe entdeckt hatte); auf jeder Stufe lag entweder ein Papierstern oder ein Papierkomet und einmal auch der Planet Saturn mit seinem Ring, dann der Mond, dann die Sonne. Archilochos wurde von Schritt zu Schritt, von Stufe zu Stufe zaghafter, der Mut hatte ihn verlassen, und die alte Ängstlichkeit war wieder über ihn gekommen.
Er atmete schwer und umklammerte die weißen Rosen, welche er nie aus der Hand gelassen hatte, auch beim Gespräch mit Maître Dutour nicht. Die Wendeltreppe endete in einem runden Zimmer mit einem großen Schreibtisch und drei hohen Fenstern, mit einer Weltkugel, einem hohen Lehnstuhl, einer großen Stehlampe und einer Truhe, die Möbel alle mittelalter-lich wie beim Doktor Faust im Theater und mit einem vergilb-ten Pergamentbogen auf dem Sessel: Arnolphs Studierzimmer, war darauf mit Lippenstift geschrieben. Beim Anblick des Telephonapparates, der auf dem Schreibtisch stand, dachte Archilochos einen Augenblick lang an den wartenden und tropfenden Galeriebesitzer neben dem Schirmständer in der Halle unten, der vielleicht jetzt endlich ganz aufgetaut war, doch hatte er Nadelör schon wieder vergessen, als er die zweite Türe des Studierzimmers öffnete, wohin ihn die Sterne und Kometen führten, denn nun sah er vor sich ein Schlafzimmer mit einem mächtigen alten Himmelbett, Arnolphs Schlafzimmer, wie auf dem Pergamentbogen zu lesen war, der auf einem kleinen Renaissancetisch lag. Das nächste Zimmer – er verfolgte die Sternenspur weiter – hatte jedoch schon wieder ins Rokoko hinübergewechselt und war eigentlich kein Zimmer mehr, sondern ein reizendes Boudoir, mit roten Lämpchen erleuchtet, mit allen Möbeln und Gegenständen, die ein solches zu besitzen hat: Chloés Boudoir, stand nun geschrieben, und das Pergament mit der Lippenstiftschrift lag auf einem Sesselchen, über welches in hastiger Unordnung einige Kleidungs-84
stücke geworfen waren, die Archilochos verwirrten: ein Bü-
stenhalter, ein Korsett, ein Leibchen, ein Hemdchen, Höschen, blendendweiß alles, auf dem Boden lagen Strümpfe und Schuhe, und durch eine halbgeöffnete Türe sah man in ein schwarzgekacheltes Badezimmer, das in den Boden eingelas-sene Becken mit grünem, duftendem Wasser gefüllt, das leicht dampfte; doch wiesen die Kometen am Boden nicht nur zum Badezimmer, sondern aus ihm heraus auf eine andere Türe, die er denn öffnete, die Blumen wie einen Schild vor sich haltend.
Er trat in ein Gemach mit einem zwar zierlichen, aber doch unendlich breiten Himmelbett in seiner Mitte, vor dem die Sterne und Monde aufhörten und nur wenige noch auf das Holz der Bettstatt geklebt waren, in welches sie führten; doch war niemand zu erblicken, da die Vorhänge des Himmelbetts gezogen waren. In einem Kamin brannten einige Holzscheite und warfen den Schatten Arnolphs riesengroß und flackernd auf den mit seltsamen goldenen Mustern bestickten roten Bettvorhang. Er näherte sich zaghaft dem Himmelbett. Wie er durch den Spalt des Vorhangs spähte, sah er in der Dunkelheit nichts als die weiße Wolke der Linnen. Es schien ihm jedoch, er höre ein Atmen, und so flüsterte er leise und in tausend Ängsten: Chloé. Niemand gab Antwort. Er mußte handeln, so sehr er auch am liebsten zurückgewichen wäre, aus dem Zimmer, aus dem Schlößchen heraus, um wieder seine Mansarde zu erreichen, wo er sicher war und nicht von Sternen verwirrt. Und so schob er denn endlich schweren Herzens den Vorhang zur Seite, fand die Gesuchte im Bett liegend, von den schwarzen Locken ihres aufgelösten Haares umringelt und schlafend. Archilochos war so verwirrt, daß er sich hilflos auf den Bettrand niederließ und Chloé scheu betrachtete, doch wagte er nur hin und wieder hinzusehen. Auch war er müde, das pausenlose Glück hatte ihn nie zur Ruhe und nie zur Besinnung kommen lassen, so daß sein Schatten am zinnober-roten luftigen Vorhang des Himmelbetts ihm gegenüber immer 85
mehr auf die schlafende Chloé sank. Doch bemerkte er mit einem Male, daß Chloé ihre Augen leicht geöffnet hatte, wohl schon lange, und ihn unter den langen Wimpern hindurch betrachtete.
»Oh«, sagte sie wie erwachend, »Arnolph. Hast du denn den Weg gut gefunden, durch die vielen Zimmer hindurch?«
»Chloé«, rief er aus, immer noch erschrocken, »du liegst im Bett Mrs. Weemans.«
»Das Bett gehört jetzt doch dir«, lachte sie und reckte sich.
»Du hast unsere Liebe Mr. und Mrs. Weeman gestanden, nicht wahr?«
Sie zögerte mit der
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