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Grieche sucht Griechin - Grotesken

Grieche sucht Griechin - Grotesken

Titel: Grieche sucht Griechin - Grotesken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Plastik stellen Sie am besten vielleicht hierher.«
    Wie man wünsche, antwortete Nadelör und stellte die Plastik neben das Himmelbett, nicht ohne Ächzen; er habe auch Blasenbrennen.
    »Meine Braut«, stellte Archilochos vor und wies auf die Erhöhung der Bettdecke hin.
    »Sie sollten sich schämen«, sagte der Kunsthändler, wobei neue Fontänen aus ihm herausquollen, »Sie als Christ …«
    »Es ist wirklich meine Braut!«
    »Sie dürfen auf meine Diskretion zählen.«
    »Darf ich nun bitten«, sagte Archilochos und drängte Nadelör aus dem Zimmer, doch im Boudoir neben dem Stuhl mit dem Büstenhalter, dem Korsett und den Höschen blieb der Galeriebesitzer aufs neue stehen.
    Ein Bad täte ihm gut, meinte er und wies schlotternd nach der offenen Badezimmertüre und dem dampfenden grünen Wasser im Bassin.
    »Unmöglich.«
    »Sie als Weltkirchenrat …«
    »Wie Sie wollen«, entgegnete Archilochos.
    Nadelör zog sich aus und stieg ins Bad.
    »Gehen Sie nicht fort«, bat er, splitternackt in der Wanne, weichlich, schweißübergossen und mit großen, flehenden, fiebrigen Augen: »Ich könnte ohnmächtig werden.«
    Dann mußte ihn Archilochos abreiben.
    Der Galeriebesitzer bekam es mit der Angst zu tun.
    »Wenn nur der Hausherr nicht kommt«, jammerte er.
    »Der Hausherr bin ich.«
    »Sie haben doch selbst gesagt …«
    »Das Schlößchen ist mir eben übergeben worden.«
    Der Mann hatte hohes Fieber und klapperte mit den Zähnen.
    »Hausbesitzer hin oder her«, sagte er, »ich verlasse dieses Haus nicht mehr.«

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    »Glauben Sie mir doch«, bat Archilochos, »vertrauen Sie mir doch!«
    Einen Rest der Vernunft habe er schließlich noch behalten, keuchte Nadelör und stieg aus dem Bad. »Sie als Christ! Ich bin grenzenlos enttäuscht! Sie sind auch nicht besser als die andern.«
    Archilochos hüllte ihn in einen blau gestreiften Bademantel, der im Badezimmer hing.
    »Führen Sie mich nun in ein Bett«, stöhnte der Kunsthändler.
    »Aber …«
    »Sie als Weltkirchenrat …«
    »Gut.«
    Archilochos führte ihn zum Himmelbett im Renaissance-zimmer. Da lag er nun. Er werde jetzt dem Arzt telephonieren, sagte Arnolph.
    »Zuerst eine Flasche Kognak«, wünschte der Galeriebesitzer röchelnd und frierend. »Das hilft mir immer, Sie als Christ …«
    Er werde im Keller suchen gehen, versprach Archilochos und machte sich müde auf, hinunterzusteigen.

    Doch schon auf der Kellertreppe, die er nach einigem Herum-irren fand, hörte er ein fernes Johlen im Keller, auch war alles erleuchtet, und wie er die Gewölbe erreichte, fand er seine Ahnung bestätigt: Bruder Bibi lag mit den Zwillingen Jean-Christoph und Jean-Daniel am Boden, inmitten leergetrunkener Flaschen, Volkslieder singend.
    »Was kommt dort von der Höh’!« rief Bibi begeistert, als er seinen Bruder erblickte. »Der Onkel Arnolph!«
    Was er denn hier mache, fragte Arnolph besorgt.
    »Schnäpse buddeln und Töne üben; ein Jäger aus Kurpfalz. «
    »Bibi«, sagte Arnolph mit Würde, »ich möchte dich bitten, nicht zu singen. Das ist der Keller meines Hauses.«
    »Nun«, lachte Bibi, »da hast du eine Karriere gemacht, die sich sehen läßt. Ich gratuliere dir. Pflanze dich hin, Bruder 90

    Arnolph, direktemang auf das Sofa«, und bot dem Bruder ein leeres Faß an, das in einer Rotweinpfütze stand.
    »Los, Kinderchen«, forderte er die Zwillinge auf, die affenar-tig auf Arnolphs Knie und Schultern turnten, »schmettert einen Psalm für Onkelchen.«
    »Üb immer Treu und Redlichkeit«, sangen Jean-Christoph und Jean-Daniel mit kreischenden Stimmen.
    Archilochos versuchte seine Müdigkeit abzuschütteln. »Bruder Bibi«, sagte er, »ich habe ein für allemal mit dir zu reden.«
    »Keine Töne mehr, Zwilling! Aufgepaßt«, lallte Bibi, »Onkel Arnolph will eine Rede halten!«
    »Nicht daß ich mich deiner schäme«, sagte Arnolph, »du bist mein Bruder, und ich weiß, daß du im Grunde deines Herzens ein guter und ein stiller Mensch bist, ein vornehmes Wesen.
    Doch um deiner Schwäche willen muß ich nun streng mit dir sein wie ein Vater. Ich habe dich unterstützt, und es ist schlimmer mit dir und deiner Familie geworden, je mehr Geld ich dir gab, und jetzt liegst du sogar betrunken in meinem Keller.«
    »Purer Irrtum, Bruder Arnolph, ich glaubte, der Keller sei der des Kriegsministers. Nur ein purer Irrtum.«
    »Um so schlimmer«, antwortete Arnolph traurig, »man bricht nicht in fremde Keller ein. Du endest noch im Zuchthaus. Du gehst nun nach Hause mit deinen

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