Grieche sucht Griechin - Grotesken
Zwillingen, und morgen nimmst du deine Stelle bei Petit-Paysan in der Geburtszangenabteilung ein.«
»Nach Hause? Bei der Kälte«, fragte Bibi erschrocken.
»Ich bestelle dir ein Taxi.«
»Du willst meine zarten Zwillinge erfrieren lassen«, empörte sich Bibi. »In unserer windigen Baracke gehn sie ein bei diesen Temperaturen. Celsius minus zwanzig.«
Vom Nebengewölbe her dröhnte es. Matthäus und Sebastian, zwölf und neun Jahre, brachen hervor, stürzten sich auf den Onkel, kletterten zu den Zwillingen auf seinen Knien und 91
Schultern.
»Werft die Dolche weg, wenn ihr auf das Onkelchen kraxelt, Matthäus und Sebastian«, befahl Bruder Bibi.
»Mein Gott«, fragte Arnolph unter den vier Neffen hervor,
»wen hast du denn noch hier?«
»Nur Muttchen und den Onkel Kapitän«, sagte Bibi, eine Flasche Wodka öffnend, »und dann noch Magda-Maria mit ihrem neuen Galan.«
»Mit dem Engländer?«
»Wieso Engländer«, wunderte sich Bibi, »schon lange passé, ist nun ein Chinese.«
Doch als er nun zu Nadelör zurückkehrte, schlief der schon, wenn auch in wilden Fieberdelirien, und einen Arzt anzurufen, war es zu spät. Archilochos war erschöpft. Vom Keller her dröhnten noch immer Gesänge. Er wagte nicht, ein zweites Mal die Sternen- und Kometenspur bis in Chloés Schlafzimmer zu verfolgen, legte sich auf das Sofa, nicht weit vom Stuhl mit dem Büstenhalter und dem Korsett, wo er gleich einschlief, nachdem er seinen Mantel von O’Neill-Papperer endlich ausgezogen und sich damit zugedeckt hatte.
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Am Morgen wurde er gegen acht von einer Zofe mit weißer Schürze aus dem Schlaf geschüttelt.
»Rasch, Herr«, sagte die Zofe, »nehmen Sie Ihren Mantel und gehen Sie, nebenan schläft der Hausherr.« Sie öffnete eine Türe, die er vorher nicht bemerkt hatte und die nach einem breiten Korridor führte.
»Unsinn«, sagte Archilochos, »der Hausherr bin doch ich.
Der nebenan ist der Galeriebesitzer Nadelör.«
»Oh«, sagte das Mädchen und machte einen Knicks.
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»Wie heißt du denn?« fragte er.
»Sophie.«
»Wie alt?«
»Sechzehn Jahre, mein Herr.«
»Bist du schon lange hier?«
»Ein halbes Jahr.«
»Mrs. Weeman hat dich angestellt?«
»Mademoiselle Chloé, Monsieur.«
Archilochos dachte, es müßten da einige Verwechslungen vorliegen, unterließ es aber schamhaft, weiter zu fragen.
»Wünscht der Herr den Kaffee?« fragte das Mädchen.
»Ist Mademoiselle Chloé schon auf?«
»Sie schläft bis neun.«
Dann werde er sich um neun melden, sagte Archilochos.
»Mon Dieu, Monsieur«, schüttelte Sophie den Kopf: »Da nimmt Mademoiselle ihr Bad.«
»Um halb zehn?«
»Wird sie massiert.«
»Um zehn?«
»Kommt Monsieur Spahtz.«
Wer denn dies sei, fragte Archilochos verwundert.
»Der Schneider.«
Wann er denn seine Braut sehen könne, rief Arnolph verzweifelt aus.
»Ah non«, meinte Sophie energisch. »Die Hochzeit wird vorbereitet, da hat Mademoiselle doch viel zu viel zu tun.«
Sie solle ihn ins Frühstückszimmer führen, sagte Archilochos ergeben, er wolle wenigstens essen.
Er aß in jenem Zimmer, in welchem ihm Maître Dutour das Schlößchen übergeben hatte, von einem würdigen ergrauten Butler bedient (überall schien es plötzlich von Kammerdienern und Zofen zu wimmeln); Ei, Schinken (den er stehenließ) wurde serviert, Mokka, Orangensaft, Trauben und duftende 93
Brötchen mit Butter und Konfitüre, während es draußen vor den hohen Fenstern hinter den Bäumen des Parks Tag wurde und die Hochzeitsgeschenke ins Schlößchen zu fluten begannen. Blumen, Briefe, Telegramme, Berge von Paketen. Tutend fuhren die Postwagen vor, stauten sich, immer gewaltiger türmten sich die Geschenke, in der Halle, im Salon, ja vor dem Bett und auf der Decke des vergessenen Galeriebesitzers, der stumm und würdig vor sich hinfieberte.
Archilochos wischte sich mit der Serviette den Mund. Er hatte beinahe eine Stunde gegessen, ernst, schweigend, hatte er doch seit den Nudeln und dem Apfelmus bei Georgette nichts zu sich genommen. Auf dem Büffet standen Flaschen mit Aperitifs und Likören, Zigarrenkisten, duftend, brüchig, Parta-gas, Dannemann, Costa Penna, bunte Zigarettenschachteln, die erste Anwandlung nach derartigem stieg in ihm auf, erschrocken kämpfte er das Gefühl nieder. Er genoß diese frühe Hausherrenstunde. Zwar verursachten der Gesang und das Gejohle der Bibisippe, das einige Male überdeutlich vom Keller her zu hören war, einige Aufregung: die dicke Köchin, die sich
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