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Grieche sucht Griechin - Grotesken

Grieche sucht Griechin - Grotesken

Titel: Grieche sucht Griechin - Grotesken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Antwort. »Natürlich«, sagte sie dann.
    »Worauf sie uns dieses Schlößchen schenkten.«
    »Sie haben noch mehrere in England.«
    »Ich weiß nicht«, sagte er, »ich kann das alles noch nicht recht realisieren. Ich wußte gar nicht, daß die Engländer so sozial aufgeschlossen sind und ihren Dienstmädchen einfach ein Schloß schenken.«
    »Scheint dort Brauch zu sein in gewissen Familien«, erklärte Chloé.
    Archilochos schüttelte den Kopf: »Generaldirektor der Atomkanonen- und der Geburtszangenabteilung bin ich auch geworden.«
    »Ich weiß.«
    »Mit einem Riesengehalt.«
    »Um so besser.«
    »Und auch Weltkirchenrat. Im Mai muß ich nach Sidney.«
    »Das wird unsere Hochzeitsreise.«
    »Nein«, sagte er, »das!« und zog die beiden Billette aus der Tasche. Wir fahren am Freitag nach Griechenland. Mit der
    ›Julia‹.«
    Aber dann stutzte er.
    »Wie weißt du denn das alles von meiner Karriere?« fragte er verwundert.

    86

    Sie richtete sich auf und war so schön, daß Archilochos die Augen niederschlug. Sie schien etwas sagen zu wollen, gab es jedoch mit einem Seufzer auf, nachdem sie Arnolph lange und nachdenklich betrachtet hatte, und sank wieder in die Kissen zurück. »Die ganze Stadt spricht davon«, sagte sie endlich mit merkwürdiger Stimme.
    »Und morgen willst du mich heiraten«, stammelte er.
    »Du mich nicht?«
    Archilochos wagte immer noch nicht hinzuschauen, denn sie hatte nun auch die Decke abgeworfen. Überhaupt war es schwer, in diesem Schlafzimmer irgendwohin zu blicken, überall waren Bilder mit nackten Göttinnen und Göttern, was er der hageren Mrs. Weeman gar nicht zugetraut hatte.
    »Diese Engländerinnen«, dachte er. »Zum Glück sind sie gut mit den Dienstmädchen, da kann man ihnen ihre Sinnenlust nachsehen«, und hätte sich am liebsten hingelegt, Chloé in den Arm genommen, um einfach zu schlafen, stundenlang, traum-los und tief im warmen Schein des Kamins.
    »Chloé«, sagte er leise. »Alles was geschah, ist so verwirrend für mich und wohl auch für dich, daß ich mich manchmal kaum mehr spüre und denke, ich sei jemand anders und müßte in Wahrheit immer noch in meiner Mansarde sein, mit den Flek-ken an der Wand, und auch dich habe es nie gegeben. Es sei viel schwerer, das Glück zu ertragen als das Unglück, hat heute Bischof Moser gesagt, und manchmal glaube ich nun, er habe recht. Das Unglück ist nicht überraschend, sondern geschieht, weil es eben muß, aber das Glück geschieht aus Zufall, und so fürchte ich denn, es werde ebenso schnell zu Ende gehen mit unserem Glück, wie es anfing, und alles sei nur ein Spiel, das man mit dir und mir spiele, mit einem Dienstmädchen und einem Unterbuchhalter.«
    »Du mußt über dies alles nun nicht nachdenken, Liebster«, sagte Chloé. »Den ganzen Tag habe ich auf dich gewartet, und nun bist du da. Und wie schön du bist. Willst du nicht den 87

    Mantel ausziehen? Er ist sicher von O’Neill-Papperer.«
    Doch wie er sich anschickte, ihn auszuziehen, erkannte er, daß er immer noch die Blumen in den Händen hielt.
    »Hier«, sagte er, »weiße Rosen.«
    Er wollte ihr die Blumen übergeben und mußte sich weit über das Bett neigen, wurde jedoch von zwei weichen weißen Armen umfaßt und niedergezogen.
    »Chloé«, konnte er noch keuchen, »ich habe dir noch gar nicht die Grunddogmen der altneupresbyteranischen Kirche erklärt.« Doch räusperte sich in diesem Augenblick jemand hinter ihm.

    18

    Der Weltkirchenrat fuhr hoch, und Chloé kroch mit einem Schrei unter die Decke. Es war der Galeriebesitzer, der vor dem Himmelbett stand, schlotternd, zähneklappernd und naß wie eine Wasserleiche, das Haar in der Stirne in dünnen Strähnen, der Schnurrbart triefend und die Kleider klebend am Leibe, Passaps Drahtplastik in Händen. Von seinen Füßen aus erstreckte sich bis zur Türe eine Lache, glänzend im Kerzen-licht, in der einige Papiersterne schwammen.
    Er sei aufgetaut, sagte der Kunsthändler.
    Archilochos starrte ihn an.
    Er habe die Plastik gebracht, sagte der Galeriebesitzer.
    Was er denn wolle, fragte Arnolph endlich verlegen.
    Es liege ihm ferne zu stören, antwortete Nadelör, die Ärmel schüttelnd, aus denen das Wasser wie aus Röhren auf den Boden floß, aber er müsse ihn als Christ und Weltkirchenrat bitten, schleunigst einem Arzt zu telephonieren, er fiebere im höchsten Grade, habe Stiche in der Brust und entsetzliche Kreuzschmerzen.

    88

    »Bitte«, sagte Arnolph, ordnete seine Kleider und erhob sich.
    »Die

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