Grieche sucht Griechin - Grotesken
hinunterbegeben hatte, kam arg zerzaust und beinahe vom Onkel Kapitän vergewaltigt zurück.
Eine Räuberbande sei eingedrungen, bemerkte der Butler erschrocken und wollte der Polizei telephonieren. Archilochos winkte ab:
»Nur meine Familie.«
Der Butler verneigte sich.
Wie er denn heiße, fragte Arnolph.
»Tom.«
»Wie alt?«
»Fünfundsiebzig, mein Herr.«
»Sind Sie schon lange hier?«
»Zehn Jahre.«
»Mr. Weeman hat Sie angestellt?«
»Mademoiselle Chloé.«
94
Da müsse wieder eine Verwechslung vorliegen, dachte Archilochos, unterließ es jedoch ein zweites Mal, weiter zu fragen. Er genierte sich vor dem fünfundsiebzigjährigen Butler ein wenig.
Um neun komme O’Neill-Papperer, sagte der. Den Hochzeitsfrack vorzubereiten. Den Zylinder habe Goschenbauer schon geschickt.
»In Ordnung.«
»Um zehn der Standesbeamte. Es seien noch einige Formalitäten zu erledigen.«
»Sehr gut.«
»Halb elf wird Monsieur Wagner vorsprechen, den Ehren-doktor der medizinischen Fakultät zu überbringen, der Verdienste des Herrn Archilochos um die Geburtszange halber.«
»Ich erwarte ihn.«
»Um elf kommt der amerikanische Botschafter mit einem Glückwunschschreiben des Präsidenten der Vereinigten Staaten.«
»Sehr erfreut.«
»Um eins findet ein kleiner Imbiß mit den Trauzeugen statt und um zwanzig vor zwei die Abfahrt zum Standesamt. Nach der Heloisen-Kapelle das Essen im ›Ritz‹.«
Wer denn dies alles organisiert habe, wunderte sich Archilochos.
»Mademoiselle Chloé.«
»Wie viele Gäste?«
Mademoiselle wünsche eine intime Feier. Ausschließlich die engsten Freunde.
»Ganz meine Meinung.«
»Deshalb haben wir nur zweihundert eingeladen.«
Archilochos war etwas verwirrt. »Gut«, sagte er endlich. »Ich kenne mich da nicht aus. Lassen Sie um halb zwölf ein Taxi kommen.«
»Soll Sie nicht Robert führen?«
95
Wer denn dies wieder sei, fragte Archilochos.
»Der Chauffeur«, antwortete der Butler. Der gnädige Herr besitze den schönsten roten Studebaker der Stadt.
»Merkwürdig«, dachte Archilochos, doch da kam schon O’Neill-Papperer.
So fuhr er denn kurz vor halb zwölf nach dem ›Ritz‹, Mr. und Mrs. Weeman aufzusuchen. Er fand die beiden in der Hotelhal-le, in einem feudalen Raum mit Plüschsofas und Lehnstühlen von allen Sorten, mit so dunklen Bildern an den Wänden, daß die dargestellten Objekte, teils Früchte, teils allerlei Wildbret, kaum zu erkennen waren. Das Ehepaar saß auf einem Sofa und las Zeitschriften. Er die Neue Archäologische Rundschau, sie das Fachorgan für Altertumswissenschaft.
»Mrs. und Mr. Weeman«, sprach er sie an, leidenschaftlich erregt, indem er der erstaunt aufblickenden Engländerin zwei Orchideen überreichte: »Sie sind die besten Menschen, die ich kenne.«
»Well«, sagte Mr. Weeman, zog an seiner Pfeife und legte die Neue Archäologische Rundschau auf die Seite.
»Ich erhebe Sie zu Nummer eins und zwei meiner sittlichen Weltordnung!«
»Yes«, sagte Mr. Weeman.
»Ich verehre Sie noch mehr als den Staatspräsidenten und den Bischof der Altneupresbyteraner.«
»Well«, sagte Mr. Weeman.
»Wer von Herzen schenkt, verdient von Herzen Dank.«
»Yes«, sagte Mr. Weeman und glotzte seine Frau an.
»Thank you very much!«
»Well«, sagte Mr. Weeman und dann wieder »Yes« und zog sein Portemonnaie, doch war Archilochos schon verschwunden.
»Liebenswert, aber doch etwas reserviert, diese Engländer«, dachte er in seinem roten Studebaker (dem schönsten der Stadt).
96
Es waren nicht nur einige Weiblein der altneupresbyteranischen Gemeinde, die vor der Heloisen-Kapelle den Hochzeits-zug erwarteten, sondern riesige Menschenmassen häuften sich halberfroren in der Emil-Kappeler-Straße und bildeten lange Reihen auf den Trottoirs. Die Fenster des schmutzigen Quartiers waren dicht besetzt. Zerlumpte Straßenjungen hingen wie mit Kalk verschmutzte Trauben an den Straßenlaternen und in den wenigen kümmerlichen Bäumen. Nun bog die Wagenko-lonne vom Boulevard Merkling ein, vom Stadthaus her, mit dem roten Studebaker an der Spitze, dem Chloé und Archilochos entstiegen. Die Menge schrie und tobte vor Begeisterung,
»Hoch Archilochos«, »Evviva Chloé«, die Radsportfreunde schrien sich heiser, und Madame Bieler und ihr Auguste (diesmal nicht im Radfahrerkostüm) weinten beide. Etwas später kam die verschnörkelte Karosse des Staatspräsidenten angefahren, sechs Schimmel, die Leibwache mit goldenen Helmen und weißen Federbüschen auf
Weitere Kostenlose Bücher