Grießnockerlaffäre: Ein Provinzkrimi (German Edition)
vollkommen«, sag ich und versuche, taktvoll zu klingen. »Und ich persönlich, ich hätte Sie niemals gerettet, Brunnermeier, das dürfen Sie mir glauben. Aber was sollte ich denn machen? Der Bürgermeister hat angerufen und gesagt, Sie liegen in einer Blutlache. So groß wie der Gardasee. Soll ich da vielleicht sagen: ›Lassens’ ihn liegen, Bürgermeister. Der hat sich das bestimmt gut überlegt. Und der will sicherlich nicht von zwei so Vollidioten gerettet werden.‹ Nein, das sehens’ doch selber. Da hätt der Bürgermeister kein Verständnis gehabt dafür. Nicht das geringste.«
Der Brunnermeier starrt an die Decke und schweigt. Eine ganze Weile sogar. Dann fängt er zu weinen an. Was wiederum eine ganze Weile in Anspruch nimmt. Ich putz mir derweil meine Nägel aus. Wie ich beim vorletzten bin, erst da, hört er zu weinen auf und fängt zu reden an. Und so erfahr ich, dass er keine Lust aufs Altwerden hat. Nullkommanull. Er hat keine Frau und keine Kinder, ja, noch nicht einmal irgendeine popelige Verwandtschaft, die einem aber im Grunde ja sowieso nur auf die Eier geht. Nein, so was alles hat der Brunnermeier nicht. Die wenigen Freunde, die er wegen zu viel Arbeit und zu wenig Freizeit hatte, sindauch schon alle tot. Und außerdem hat er in seinem Leben so viele Alte dahinsiechen sehen, hilflos und vollgeschissen, dass er darauf überhaupt keinen Bock hat. Und drum hat er eben beschlossen, jetzt, wo er noch dazu in der Lage ist, sich seine Adern selber aufzuschneiden und niemanden darum bitten zu müssen, dies für ihn zu tun. Damit das Elend ein Ende hat, bevor es überhaupt beginnt quasi.
Ich sag ihm dann, dass er einen Vogel hat und ich ihm einen Psychiater schicken werde. Und wie ich zur Tür rausgeh, fliegt eine Bettpfanne hinter mir her. Zum Glück ist sie leer. Und sie verfehlt nur knapp meinen Kopf. Ja, ein Psychiater hätte hier alle Hände voll zu tun, muss man schon sagen.
Zurück in meinem Büro liegen ein paar Unterlagen auf dem Schreibtisch. Mit einer kleinen, sehr intimen Notiz von der Susi am Blattrand. Es sind die Adressen, die wo sie mir raussuchen sollte. Braves Mädchen.
Ich schau mir das so an und schau und schau, und irgendwas kommt mir komisch vor. Es dauert ein bisschen, bis ich drauf komm, aber dann!
Die Anschrift von diesem Grablonski, diesem Victor Grablonski, ist die gleiche wie die von der Frau Barschl. Zwar erst seit kurzem, aber trotzdem. Das ist ja allerhand! Wieso wohnt ein Exknacki, der auf das Konto vom Barschl geht, jetzt ausgerechnet bei dessen Witwe? Das heißt es herauszufinden. Und zwar hurtig. Darum fahr ich jetzt erst mal nach Freising. Und weil ich immer gerne das Angenehme mit dem Nützlichen verbinde, ruf ich mal beim Birkenberger an. Denn wenn ich schon nach Freising muss, kann man ja prima noch kurz in München vorbeischauen. Nicht, dass jetzt ein Treffen mit dem Birkenberger so unbändig angenehm wäre. Das nicht. Aber weil der Rudi einen Hang zum Nachtragenden, ja direkt Weibischen hat und gern undausdauernd beleidigt ist, wenn man sich länger nicht meldet, drum anrufen und Treffen vereinbaren. Dann hat man mal wieder eine Zeit lang Ruhe und kein schlechtes Gewissen.
»Eberhofer, wunderbar«, sagt er, wie er meine Stimme hört. Er freut sich hörbar über meine Kontaktaufnahme. Ja, sagt er, prima, ich soll dann morgen kommen. Am besten am Nachmittag, weil er am Vormittag einen Aufsichtsratsvorsitzenden observieren muss und am Abend die Ehefrau vom Landrat von Schlag-mich-tot-ich-hab-den-Namen-vergessen. Aber am Nachmittag hätte er ein bisschen Zeit. Viel nicht, sagt er. Weil dieses abtrünnige Weib in einem mordswichtigen Hotel residiert. Und da muss sich der Rudi zuvor noch kräftig in Schale schmeißen und einen auf Schicki und Micki machen, damit er überhaupt am Türsteher vorbeikommt. Anstrengend, furchtbar anstrengend, sagt er. Nur lauter Leute, die mörderfad an ihren Cocktails schlürfen, überhebliche Blicke in die Runde werfen und absolut humorresistent sind. Aber es hilft alles nix. Und drum freut er sich narrisch, mich zuvor noch kurz zu sehen. So quasi als Entschädigung.
Wie ich am Abend meine Runde dreh (eins-achtzehn, wir sind grad gut in Schuss, der Ludwig und ich), da treffen wir am Schluss hinten am Waldparkplatz auf den Simmerl samt Sohnemann. Sie sitzen beide in einem nagelneuen BMW metallicblau und machen Fahrübungen. Der Max fährt, der Simmerl hockt daneben und brüllt sich die Seele aus dem Leib. »Kupplung! Bremse! Erster
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