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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Butter gleitet. Dann brach der Ton ab, so plötzlich, dass Grim der Atem stockte, und vor ihm, umschlossen von den Ringen aus Feuer und dem Kreis der Alchemisten, erhob sich Verus Crendilas Dhor in seiner grausamen Schönheit.
    Grim wusste es besser. Er wusste, dass er kein Wesen aus Fleisch und Blut vor sich hatte. Und doch glaubte er für einen Moment, dass er einem Menschen gegenüberstand — oder einem Gott.
    Ein junger Mann stand vor ihnen, bekleidet mit einem Gewand aus grobem Leinen. Seine Haut schimmerte bronzefarben, sein weiches Haar fiel in dunklen Wellen auf seine Schultern hinab. Sein Gesicht war zart wie das eines staunenden Engels, und auf seinem Mund mit den weichen, vollen Lippen lag ein Lächeln. Grim betrachtete die feingliedrigen Finger des Dämons, sah sie für einen Augenblick über die Tasten einer Orgel gleiten und hörte die Töne, die in seinen Ohren rauschten wie ein Totenchor. Wütend riss er seinen Blick fort von den Händen und schaute dem Dämon in die Augen. Und da wusste Grim wieder, wen er vor sich hatte, er wusste es nicht nur, er fühlte es bis in das tiefste Innere seines Selbst. Vor ihm stand der Abgrund, die Bosheit, das Nichts. Die Augen des Dämons waren schwarz wie geronnenes Blut, sein Körper eine perfekte Lüge, nicht mehr als eine zitternde Haut über einem tödlichen Geschwür. In diesem Leib wanden sich die Schlangen der Verdorbenheit, und Grim befiel wie jedes Mal bei diesem Anblick ein Gefühl von Scham. Denn eines wusste er genau: Würde Verus nicht von flammenden Kreisen in Schach gehalten, wäre er nicht geschwächt durch das Feuer des Diamanten, das ihm seit Jahrhunderten das Fleisch zerschnitt, hätte er Grim zu sich gerufen. Schon einmal hatte er das getan, damals auf dem Schlachtfeld, und nur mithilfe seiner Gefährten war es Grim gelungen, sich seinem Ruf zu widersetzen und ihn niederzustrecken. Seither hatte er geglaubt, dass er Verus jederzeit wieder bezwingen würde, doch nun, da er ihm gegenüberstand und die blutige Schwärze in seinen Augen nach ihm rief, begann er daran zu zweifeln.
    »Dämon«, rief Vraternius und zog einen diamantenen Stab aus seiner Tasche, den er auf den Dämon richtete. Sofort zuckte dieser zusammen und verzog das Gesicht wie unter Schmerzen. »Nenne mir deinen Namen!«
    Der Dämon hob den Blick, Grim sah die dunklen Flammen, die aus seinen Augen loderten. »Verus Crendilas Dhor, dritter Sohn des Phranatos, neunter Kreis, Lhot.«
    Grim sog die Luft ein. Lhot, das waren die mächtigsten und ältesten aller Dämonen, und der neunte Kreis — nun, sie hatten ihre dunklen Eigenschaften so weit vervollkommnet, dass es keinen Meister mehr gab, der sie etwas lehren konnte.
    Vraternius ließ seinen Stab sinken. Ein Zittern lief über Verus' Körper, als er den Gnom ansah. Es war, als würde der Alchemist seinen Blick mit Gewalt festhalten.
    »Wir riefen dich, um Antworten auf dringliche Fragen zu erhalten«, fuhr Vraternius fort, doch ehe er weitersprechen konnte, brach der Dämon in schallendes Gelächter aus.
    »Antworten!«, rief Verus mit samtweicher Stimme. »Ihr wollt Antworten von mir haben!« Abrupt brach sein Gelächter in sich zusammen wie ein Kartenhaus im Sturm, und sein Gesicht nahm einen zornigen Ausdruck an. »Wie wäre es, wenn ihr zuerst mir einige Antworten geben würdet? Warum, zum Beispiel, sperrt man mein Volk in diamantene Kerker, wo es bis ans Ende aller Tage darben und sich selbst zerfleischen muss? Warum ...«
    Vraternius richtete den Stab auf Verus' Stirn. Sofort begann die Haut des Dämons zu verbrennen. »Du weißt, was du getan hast, Ausgeburt der Schatten!«
    Der Dämon stöhnte unter der Macht des Stabes, bis der Gnom seine Waffe sinken ließ.
    »Oder«, keuchte Verus und griff sich an die Stirn, »wollt ihr wissen, wie es sich anfühlt, Jahr um Jahr in prasselndem Feuer zu liegen, den eigenen Körper verbrennen zu fühlen, wieder und wieder zu sehen, wie er knisternd Blasen schlägt, wie die Flammen sich bis hinab zu den Knochen fressen, bis nichts mehr übrig ist als schwelender schwarzer Staub?«
    Da trat Grim vor. »Du hast keinen Körper, den du verbrennen fühlen kannst«, grollte er und ertrug den schwarzen Blick des Dämons, der mit gierigen Flammen nach ihm griff, ohne sich abzuwenden. »Du bist alles, so sagtest du damals in der Unterwelt Prags zu mir, und deshalb bist du gleichzeitig nichts. Du wirst niemals erfahren, was wirklicher Schmerz ist — niemals!«
    Für einen Moment dachte Grim, dass

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