Grim - Das Erbe des Lichts
Dschinns und Dämonen ebenso wie magisch-relevante Forschungen im Rahmen der Alchemistischen Wissenschaft.
Seufzend hob Grim den Blick zur Decke und betrachtete die sieben führenden Alchemisten Ghrogonias, die dort oben auf rot gepolsterten Sesseln an einem runden Tisch saßen und leise miteinander fachsimpelten.
»Warum hängt ihr euch nicht gleich mit den Köpfen nach unten an die Decke wie die Fledermäuse?«, rief er zur Begrüßung und erntete ein Schnauben aus sechs empörten Kehlen. Nur Vraternius, der Vorsitzende der Zauberer, lachte sein lautes, ansteckendes Lachen und segelte hoheitsvoll von seinem Sessel herab, um Grim zu begrüßen. Er trug — wie die anderen Alchemisten auch — einen mit Rußspuren verschmutzten weißen Kittel. Entgegen seiner Gewohnheit hatte er sämtlichen Schmuck abgelegt, der ihn während des Sprechens bestimmter Zauberformeln aufgrund der Eigenmagie behindern konnte. Sein blaues Haar hatte er im Nacken zu einem dicken Zopf gebunden. Seine Augen waren gelb wie bei einer Katze und standen in sonderbarem Kontrast zu seiner olivfarbenen Haut.
»Magie lässt sich nicht fassen«, erklärte er, während er sich vor Grim verneigte. »Sie ist überall — irgendwo zwischen Himmel und Erde. Wie könnten wir sie jemals begreifen, wenn wir mit unseren Füßen auf dem Boden kleben bleiben würden, während unser Geist sich nach den Wolken sehnt! Wir sind uns unserer Stellung als Kreaturen der Widersprüche bewusst und nehmen somit jenen Platz ein, der unsere Gaben in den richtigen Fluss bringt: dazwischen.«
Grim lächelte anerkennend, während die anderen Alchemisten langsam mitsamt Tisch und Sesseln abwärtsschwebten, bis sie auf dem Boden mit den Kreidezeichnungen gelandet waren. Mitten auf dem Tisch lag, umzingelt von groben roten Strichen aus einer klebrigen Substanz, unter einer hauchdünnen Glasglocke das Fleisch des Mörders.
Auf der Stelle kehrte die Anspannung in Grims Nacken zurück und ließ ihn näher an den Tisch herantreten. Violette Funken liefen über das Fleisch hin, Grim hörte sie leise knistern. Immer wieder sprangen sie in plötzlichen Explosionen gegen das Glas, um zischend in goldenen Feuerregen zu zerfallen.
»Ihr habt es geschafft«, sagte Grim leise, denn er spürte deutlich die Vibration der Magie, die sich gegen das Glas warf.
»Nicht ganz«, erwiderte Vraternius mit finsterer Miene. »Es ist uns lediglich gelungen, Teile der Magie zu extrahieren. Die übrigen liegen noch immer unter dem Schleier, der sie vor unseren Blicken verbirgt und der es den Spürnasen unmöglich macht, die Spur des Mörders aufzunehmen. Eines muss dir klar sein: Diese Magie ist älter als diese Stadt. Sie stammt aus dem Volk der Alben zur Ersten Zeit — jener Zeit, da das Albenvolk noch nicht in Feen, Elfen, Zwerge und Dämonen zerbrochen war. Keiner von uns hat damals schon gelebt, und mir ist noch niemals ein Wesen begegnet, das über diese Magie verfügt. Man sagt, sie habe diese Welt vor langer Zeit verlassen.«
Grim zog die Brauen zusammen. »Wie ist das möglich? Willst du mir erzählen, dass der Mörder aus der Vergangenheit in die Zukunft gereist ist? Und wer ist er überhaupt?«
Vraternius schüttelte den Kopf. »Wir wissen es nicht. Er scheint zum Volk der Alben zu gehören, doch darüber hinaus wohnt seiner Magie etwas inne, das die damalige Albenmagie übersteigt, etwas Nebelhaftes von großer Macht, das wir weder erklären noch beherrschen können und das es uns unmöglich macht, den Schleier zu zerreißen und seine Magie aus diesem Fleischstück herauszuziehen.«
Ungläubig sah Grim ihn an. »Soll das heißen, dass die besten Alchemisten der Anderwelt, diejenigen, die in der Goldenen Gasse Prags erfolgreich Gold erschufen und den Mantikor im indischen Dschungel aufspürten, um mit seinem Blut das Licht der Sterne zu fangen — dass diese Zauberer kapitulieren vor einem lächerlichen Klumpen Fleisch?«
Er sah, wie sich die Gesichter der Alchemisten verschlossen wie Austern, und auch Vraternius funkelte ihn wütend an. »So ist es. Wenn du meinst, es besser zu können als wir: nur zu! Aber ich bezweifle, dass du auch nur einen Augenblick bei klarem Verstand ins Angesicht dieser Magie blicken könntest! Deswegen ist die Alchemie so gefährlich! Die wenigsten Magier begreifen, dass es in erster Linie um das Verständnis der Dinge geht, um ihren tieferen Sinn, ihr verborgenes Geheimnis und darum, sich nur auf die Mächte einzulassen, die man selbst in sich trägt.
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