Grim - Das Erbe des Lichts
Allzu oft begeben sich die Magier in Bereiche, denen sie in keiner Weise gewachsen sind — Bereiche, welche die Leichtsinnigen verschlingen wie die Nacht einen erlöschenden Funken aus Licht.«
Grim holte tief Atem. Ihm stand nicht der Sinn nach philosophischen Disputen, schon gar nicht mit einem Gnom, der bereits mit streitbarem Funkeln in den Augen die Arme vor der Brust verschränkte. »Ihr könnt es also mit dieser Magie nicht aufnehmen«, stellte er fest.
Vraternius zuckte die Achseln. »Keiner von uns ist stark genug, um sie vollends zu durchdringen — und das ist zwingend notwendig, um ihren Schleier zu zerreißen, sie zu bändigen und schließlich aus dem Fleisch herauszuziehen.«
Grim nickte nachdenklich. »Doch es gibt Wesen in dieser Stadt, die Albenblut in den Adern tragen, nicht wahr? Geschöpfe, die dieser Magie gewachsen sein dürften.«
Vraternius lächelte listig, als hätte er nur darauf gewartet, dass Grim das sagen würde. »Sehr richtig«, raunte der Alchemist. »Aber es muss Albenblut aus lang vergangener Zeit sein — aus jener Zeit, da diese Magie noch Teil dieser Welt war.«
Grim spürte den Blick, mit dem der Gnom ihn bedachte, und fühlte sich auf der Stelle unwohl. So schaute Vraternius ihn immer an, wenn er ein Attentat auf ihn plante — etwas, das entweder verboten oder ungeheuer gefährlich war oder am besten beides zusammen. Dann begriff er, was der Alchemist vorhatte, und schüttelte langsam den Kopf.
»Ihr wollt einen Seelenfresser rufen? Einen uralten Dämon?«
Als hätte das Wort ihnen auf den Rücken geschlagen, zuckten die Alchemisten wie ein Mann zusammen.
Vraternius hingegen stand regungslos. »Wenn du die Magie aus diesem verfluchten Fleisch holen willst, brauchst du jemanden, der sie bändigen kann — jemanden, der den Schleier zerreißen kann, der sie vor uns verbirgt, und fähig ist, sie ans Licht zu ziehen. Und dass du das willst, dürfte außer Frage stehen — denn nur die Magie wird deine Suchtrupps zu dem Mörder führen.«
Grim starrte auf die violetten Funken, die unablässig gegen das Glas sprangen und zerbarsten. »Ihr wollt einen Dämon aus dem Diamantfeuer befreien?«, murmelte er und spürte, wie sein Herz in einen schnelleren Rhythmus fiel. »Einen derjenigen, die einst die Herrschaft über Prag an sich bringen wollten und in blutigen Schlachten niedergeschlagen wurden?« Er seufzte tief, denn die Erinnerungen an diese Kämpfe standen lebhaft vor seinem inneren Auge. Er selbst hatte einige der mächtigsten Dämonen in den kristallenen Käfig des Diamantfeuers gesperrt, jene Foltermethode, die für Dämonen unaufhörliche Schmerzen in einem winzigen Gefängnis bedeutete. Einige dieser Dämonen waren älter als die ersten Gargoyles und dementsprechend überaus mächtig.
Vraternius nickte. »Es ist unsere einzige Möglichkeit, den Mörder zu fassen.«
Für einen Moment starrte Grim regungslos auf das Fleischstück.
Dann nickte er. »Wir haben schon Schlimmerem gegenübergestanden als einem uralten Dämon. Wir werden ihn befragen — und anschließend sperren wir ihn wieder in sein Feuer, so einfach ist das. An welchen Dämon dachtet ihr dabei?«
»Nun«, Vraternius wechselte einen Blick mit seinen Zaubererfreunden, und Grim sah deutlich das unterdrückte Lächeln auf den Gesichtern. »Wir dachten an Verus Crendilas Dhor — den Goldenen Schatten der Verkommenheit.«
Grim verdrehte die Augen. Das wurde ja immer besser. Verus Crendilas Dhor hatte die Mauern Roms mit einem Fingerzeig errichtet, er hatte das Tier Babylons gejagt und verspeist und Konstantinopel nicht nur einmal in Schutt und Asche gelegt. Ja, Verus war ein uralter Dämon, und er machte seinem Volk in jeder Hinsicht alle Ehre. Er war tückisch, hinterhältig, überaus mächtig und immer auf den eigenen Vorteil bedacht. Hatte er in früheren Zeiten seine Macht den Menschen zur Verfügung gestellt, war er später von diesem Weg abgekommen und hatte die Herrschaft über die Anderwelt gefordert. Den Gargoyles war im Kampf um die Vorherrschaft der Sieg über die Dämonen gelungen, doch erst in den vergangenen zweihundert Jahren hatten sie diese Kreaturen endgültig besiegt. Grim erinnerte sich lebhaft daran, wie er Verus in der letzten Schlacht gemeinsam mit Kronk und anderen Gefährten in die Knie gezwungen, ihm mit diamantener Fessel ein Mal auf die Brust gepeitscht und ihn schließlich in seinen Kerker geworfen hatte, um ihn unbeschreiblichen Schmerzen zu überantworten. Grim seufzte
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