Grim - Das Erbe des Lichts
passiert?«
Grim hob den Kopf und erkannte Remis, der rasend schnell auf ihn zuschoss. Sorgenvoll schaute der Kobold auf ihn herab.
»Ist alles in Ordnung?« Remis schnüffelte kurz. »Hast du dich mit
Dämonen angelegt? Du bist wohl verrückt geworden! Kaum lässt man dich einmal aus den Augen und schon ...«
Grim seufzte. Manchmal kam es ihm so vor, als hätte er in Remis eine kleine, haarige Mutter gefunden, denn der Kobold hatte oft nichts Besseres zu tun, als sich alle möglichen Sorgen um ihn zu machen und ihn zu behüten, als wäre er ein hilfloser Welpe. Er kam auf die Beine. »Vermutlich war es keine gute Idee, dich zum Einsatzleiter der Suchkobolde gemacht zu haben.«
Remis hob die Brauen, fast meinte Grim, ein Zittern in der Unterlippe seines Freundes zu erkennen.
»Ich brauche dich doch als Glücksbringer«, fuhr Grim fort. »Wie man sieht, bin ich ohne dich aufgeschmissen.«
Remis brachte ein schiefes Grinsen zustande. Dann fiel sein Blick auf den gläsernen Zylinder, den Vraternius gerade an Grim weiterreichte. In knappen Worten erzählte Grim ihm von der Beschwörung des Dämons und der Bedeutung des violetten Lichts. Hektisch riss Remis die Augen auf, als er begriff, was das hieß. »Das ist die Magie des Mörders«, flüsterte er. »Mit ihr können meine Leute und ich ...«
Grim reichte ihm den Zylinder und nickte. »Nicht mehr lange — dann haben wir eine Spur.«
Schweigend folgte er den Spürnasen aus dem Saal. An der Tür warf er einen Blick zurück auf die erlöschenden Flammen.
Und eines Tages, das sage ich dir, mein Freund, wirst du bereuen, mir nicht gefolgt zu sein.
Verus hatte ihm ein Versprechen gegeben. Und eines wusste Grim genau: Die Zeit würde kommen, da er es halten würde.
Kapitel 6
ie Gargoyles bewegten sich zwischen den Vitrinen des Ausstellungsraumes wie steinerne Schatten. Ihre Schritte waren lautlos, und doch brachten sie den Boden zum Erzittern, sodass einige der gläsernen Artefakte in den Vitrinen leise klirrten. Es war spät in der Nacht, am kommenden Abend würde die Eröffnung stattfinden. Noch waren einige Handgriffe zu erledigen, aber schon jetzt wirkte der Raum mit seinen seidenen Vorhängen an den Wänden, den von goldenem Licht erhellten Glaskästen und den kostbaren Artefakten, die — gesichert durch unsichtbare magische Schilde — auf den Besuch der Menschen warteten, wie ein Ort aus einer anderen Welt.
Mia betrachtete den goldenen Löffel, den sie soeben in einer Vitrine drapiert hatte, und las das Schaukärtchen:
Schöpfkelle vom Hofe des König Midas, 8. Jahrhundert vor Christus.
Sie lauschte auf das kaum hörbare Weinen des Löffels und fragte sich für einen Augenblick, ob die Besucher der Ausstellung es ebenfalls wahrnehmen und es für möglich halten würden, dass dieses Essbesteck tatsächlich vom sagenhaften König Midas in Gold verwandelt worden war. Aber vielleicht war es gar nicht wichtig, ob die Menschen tatsächlich an die Existenz des mythischen Königs glaubten. Vielleicht genügte es vorerst, wenn sie den Zauber zuließen, den diese Gegenstände ausstrahlten, und für die Dauer ihres Besuchs eines deutlich fühlten: Alles war möglich.
Mia warf einen Blick auf die große, noch leere Glasvitrine in der Mitte des Raumes. Roter Samt umflutete das silberne Podest eines ganz besonderen Artefakts. Mia dachte an die Lichter, die durch die Streben des Zepters der Menschen flossen wie geschmolzenes Gold — das Zepter der Yartholdo, neben dem Gargoylezepter das mächtigste Artefakt der Anderwelt, mit dem es möglich war, den Zauber des Vergessens aufzuheben. Mia fühlte ein Kribbeln in den Fingerspitzen, als sie daran dachte, dass sie den Menschen schon bald das Werkzeug zeigen würde, das sie aus der Blindheit führen konnte. Eines Tages, das wusste sie, würde seine Zeit kommen.
Aufatmend griff sie nach der hölzernen Kiste, die neben ihr auf einem der Glaskästen stand, und öffnete sie. Ein Schauer lief über ihren Rücken, als sie das Wunschglas aus dem Seidenpapier wickelte und es neben dem goldenen Löffel auf ein Samtkissen legte. Deutlich stand der Fremde vor ihrem inneren Auge, sie sah seine hochgewachsene, reglose Gestalt und das bleiche, ebenmäßige Gesicht und hörte Hieronimus' Stimme flüsternd in sich widerklingen: Er
sah fast aus, als käme er aus einer anderen Welt ... Er hatte seltsame Augen. Das linke fehlte ihm, an seiner Stelle saß ein schwarzer Edelstein, und das rechte ... Sein rechtes Auge war gesund, aber
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