Grim - Das Siegel des Feuers
hörte er Schritte. Schnell zog er sich in eine Nische zurück und musste ein Grollen unterdrücken, als er Krallas' Stimme erkannte.
»Siehst ein wenig mitgenommen aus«, sagte der Hybrid mit widerlichem Lachen. »So kenne ich dich ja gar nicht.«
Seine Schritte hallten von den Wänden wider, und Grim hörte das leise Geräusch von Pranken auf Stein. Im nächsten Moment bog Krallas um die Kurve — und er war nicht allein. In seiner Hand hielt er eine glühende Kette, die sich mehrfach um Mouriers Hals wand und blutrote Striemen in sein Fleisch brannte. Der Löwe hielt den Blick gesenkt. Er lief, als lägen ihm Zentnerlasten auf den Schultern, und seine dunklen Augen waren seltsam stumpf.
Krallas riss an der Kette. »He«, rief er. »Was machst du für ein Gesicht? Du hast wirklich nichts gemerkt, was? Hast mir vertraut, nicht wahr?«
Ein Röcheln drang aus Mouriers Kehle. Grim fing an zu zählen. Krallas kam immer näher.
»Aber dafür wirst du jetzt erfahren, wie das ist«, fuhr der Hybrid fort, »wenn man auf der Bühne stirbt. Für eine kleine Volksbelustigung bist du doch immer zu haben. Und jetzt wirst du die Hauptrolle spielen. Ein wenig Feuer unter deinem steinernen Hintern, ein paar gebrochene Gliedmaßen — der Tod wird langsam kommen, genau so, wie es dein König uns angetan hat! Du wirst ...«
Weiter kam er nicht. Grim sprang aus seinem Versteck, hob die Faust und traf Krallas mitten im Gesicht. Krachend flog der Hybrid gegen die Wand, er war so überrascht, dass er keinen Ton herausbrachte. Grim zog die Kette von Mouriers Hals und schlang sie blitzschnell um Krallas' Körper. Der Hybrid schrie, als das Metall sich in sein Fleisch grub, aber der Schmerz verhinderte, dass er seine Kräfte schnell entfalten konnte. Grim blieb für einen Moment vor ihm stehen.
»Verräter«, grollte er. Schritte hallten durch den Gang. Grim wollte sich abwenden, doch da trat Mourier neben ihn. Er schwankte vor Erschöpfung, aber in seinen Augen lag eine Verachtung, die Grim schaudern ließ.
»Wenn wir uns das nächste Mal sehen«, raunte der Löwe tonlos und schaute Krallas in seine kalten Augen, »wirst du sterben.«
Mit einem Hieb seiner Pranke schlug er Krallas' Kopf gegen die Wand. Bewusstlos brach der Hybrid zusammen. Mourier sprang neben Grim den Gang hinab. Schnell erreichten sie das Loch im Boden und ließen sich in die Kanalisation hinab.
»Du bist wohl verrückt geworden«, keuchte Mourier, als sie neben den anderen durch die Tunnel liefen. »Weit werdet ihr mit mir nicht kommen. Ich bin am Ende, ich habe keine Kraft mehr. Und der Zauber wird immer stärker, ich fühle mich ganz benebelt.«
Grim verzog den Mund zu einem Grinsen. »Als wenn das was Neues wäre«, erwiderte er freundlich. Dann wurde er ernst. »Ich bin ein Schattenflügler. Das war ich, und das werde ich immer sein. Und ich lasse niemanden zurück — ganz gleich, wer mir das befehlen sollte.«
Mourier warf ihm einen Blick zu. Er hatte schon den Mund geöffnet, um etwas zu erwidern. Doch dann ging ein Lächeln durch seinen Blick. Und er schwieg.
Kapitel 40
ia hockte auf dem Stuhl vor dem Eichentisch und starrte vor sich hin. Sie war hundemüde, obwohl sie tief und ausgiebig geschlafen hatte. Die Bilder der vergangenen Nacht gingen ihr nicht aus dem Sinn, immer wieder hörte sie die schrecklichen Stimmen, sah Theryon mit zerfetzter Haut und die winzige Fee, die tödlich verwundet zu Boden sank. Sie fuhr sich über die Augen. Theryon setzte sich zu ihr an den Tisch.
»Du kannst die Zeichen nicht festhalten, du kannst sie nicht lesen, obwohl du die Hüterin des Pergaments bist und obwohl deine Magie erweckt wurde. Du kannst es nicht aus einem einfachen Grund: weil du es nicht willst.«
Mia zog die Brauen zusammen, aber er fuhr schon fort: »Der Zauber des Vergessens liegt wie ein Schleier zwischen der Welt der Menschen und der Anderwelt. Doch nicht er allein bewirkt, dass die Menschen die verborgenen Geschöpfe nicht erkennen. Die meisten Menschen stärken den Zauber mit ihrer eigenen Ignoranz. Aber ihr Wissen betrügt sie. Es ist das falsche Wissen. Sie sollten dem vertrauen, was sie fühlen, und sie würden es sehen. So glauben sie nur das, was sie sehen und was sie beweisen können: Was sie nicht kennen, gibt es nicht. Selbst wenn ihnen beispielsweise eine Elfe begegnet, vermuten die Menschen hinter dem anmutigen Leuchten nichts weiter als ein Glühwürmchen: Ihre Augen werden vom Zauber des Vergessens getäuscht, aber ihre Herzen
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