Grim - Das Siegel des Feuers
Grims Blick. »Du weißt nicht, worauf du dich einlässt — gegen wen du kämpfen willst. Natürlich sind nicht alle Menschen verachtenswert — nicht alle sind so, wie die Hassreden einiger Gargoyles uns glauben machen wollen. Aber viele sind es eben doch — zu viele, als dass sie die Anderwelt neben sich akzeptieren würden! Ich bin nicht allein mit meiner Einstellung. Jeder Gargoyle fürchtet die Menschen und ihre Gier!«
Da hob Mia den Kopf. »Ja — oder ihre Nähe, nicht wahr?« Sie sah ihn an. Seine Augen waren pechschwarz geworden. »Du hast noch einen ganz anderen Grund, die Menschen zu fürchten, aber du bist zu feige, um es zuzugeben! Hast du dich nie gefragt, warum du mit solcher Leidenschaft Schattenflügler bist?«
»Um den Zauber des Vergessens zu schützen«, erwiderte Grim energisch.
Mia nickte. »Und warum willst du das? Um die Menschen von dir fernzuhalten, die du gleichzeitig immer wieder vor der bösen Seite der Anderwelt beschützt.« Grim holte tief Luft, aber sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Ich weiß, dass du das nicht hören willst, aber so ist es. Das ist dein Problem, Grim: Du sehnst dich nach den Menschen, aber gleichzeitig verachtest du diese Gefühle, wie es sich für einen Gargoyle gehört und wie deine Angst es dir befiehlt. Ich weiß von deinem Menschenfreund und seinem Tod. Du hast gelitten, ja, du leidest noch immer, weil du ihn verloren hast, und nie wieder wolltest du so etwas empfinden. Ich weiß, wie das ist! Mein Vater hat mich verlassen, als ich sieben Jahre alt war! Jakob ist tot! Es gibt nichts, das den Schmerz aufwiegen könnte — gar nichts! Aber er gehört zum Leben dazu, genauso wie das Glück! Du kannst dich nicht für das eine oder das andere entscheiden — aber du kannst auch nicht für immer so leben, wie du es seit damals tust! Das ist kein Leben, das ist ... gar nichts! Was sagtest du, als ich dir meine Träume geschenkt habe?
Und du hast recht. Angst und Zweifel sind schlechte Gefährten.
Du warst so kurz davor, beides hinter dir zu lassen. Aber jetzt stehst du vor mir und lässt dich von ihnen leiten! Du läufst weg, Grim, nicht nur vor mir, sondern auch vor dir selbst. Aber eines sage ich dir: Ich werde nach dieser Geschichte nicht einfach aus deinem Leben verschwinden, nur weil du immer wieder Angst hast vor deinen Gefühlen. Ich bin nicht feige, Grim. Und deswegen sage ich dir jetzt etwas, das ich noch nie zu jemandem gesagt habe. Ich glaube ... ich habe mich in dich verliebt.«
Er zuckte zusammen, als hätte sie ihn geschlagen, und für einen Moment wurde sein Gesicht ganz weich. Doch dann kehrte die Härte in seine Züge zurück.
»Nein!«, rief er und wich zurück, als befürchtete er einen Angriff. »Du bist ein Mensch, Mia! Ich bin ein Gargoyle! Wie stellst du dir das vor? Es war alles ein Fehler, ein gewaltiger, verfluchter Fehler! Du weißt nichts von mir! Alles, was du hast, sind ein paar wirre Worte aus dem Mund eines Kobolds! Du weißt nichts von den Kriegen, die es gegeben hat, ausgelöst durch die Gier und den Wahnsinn der Menschen! Du weißt überhaupt nicht, was Krieg ist! Du hast einen Traum, aber in dieser Welt ist er nicht zu erfüllen — nicht mit diesen Menschen, nicht mit diesen Gargoyles! Das Zepter ist eine Gefahr in den Händen der Menschen, und du siehst, was seine bloße Existenz anrichten kann! Es wäre Wahnsinn, den Zauber zu brechen! Ich kann nicht zulassen, dass die Menschen die Anderwelt mit neuen Kriegen überziehen!« Er holte tief Atem. Als er weitersprach, war seine Stimme eiskalt geworden. »Wir werden Seraphin mit dem Zepter aufhalten. Und dann — werde ich es vernichten.«
Mia spürte, wie sich etwas in ihr zusammenzog. Sie schüttelte den Kopf. »Es ist möglich, dass die Menschen sich ändern, genauso wie die Gargoyles. Wenn die Welt eine andere würde, dann ...« Sie brach ab, ein kaum merkliches Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. »Deine Worte klingen eiskalt, wie die Steine, auf denen du stehst. Was will ich auch anderes erwarten von einem Wesen aus Stein — das willst du mir doch zeigen, nicht wahr? Dass du kalt bist und gefühllos und immer auf dem richtigen Weg. Ja, du hast an alles gedacht — die richtigen Worte, das regungslose Gesicht, die Ablehnung in deinen Augen. Es gibt da nur ein Problem.« Sie hielt inne. »Ich glaube dir nicht.«
Sie sah das Erstaunen in seinem Blick, sah, wie er den Mund öffnete, um etwas zu sagen. Im selben Moment hörte sie das Zischen. Es durchschnitt die Luft,
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