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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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drehte er den Spiegel, bis Pedro ihm die Hand auf die Schulter legte. »Nun, Narziss, wie gefällt dir dein neues Gesicht?«, fragte er mit einem Lächeln.
    »Es ist ... es ...«, sagte Grim und geriet in Verzückung über seine neue Stimme, die kraftvoll und gleichzeitig sanft klang, ein Meer aus Gegensätzen wie sein ganzes neues Ich. Gerade wollte sich ein Lächeln auf sein Gesicht legen, als durch den Spiegel eine andere Gestalt sichtbar wurde, ein Kind, das im Sterben lag. Grim ließ den Spiegel sinken.
    »Ich bin verflucht«, murmelte er. »Ich bin niemand, kein Gargoyle, kein Mensch — ein Mittelding, nichts Eindeutiges, nichts Richtiges. Ich bin ein Nichts.«
    Pedro sah ihn an wie einen Hund, der winselnd zu seinen Füßen lag, und tätschelte ihm zu allem Überfluss auch noch die Schulter. Grim wandte sich ab. Hätte er sich doch nur nie auf den ganzen Dreck eingelassen, wäre er doch nur mit dem Hintern in der Arena sitzen geblieben und hätte Moira und den Jungen und alle Geheimnisse der Welt tun lassen, was sie wollten! Was hätte er verpasst? Jede Menge Ärger, die Nachricht, dass er eine Ausgeburt der Hölle war und sein ganzes bisheriges Leben ein einziger großer Haufen Koboldkacke, zwischendurch jede Menge Probleme mit irgendwelchen Kerlen, die er noch nie zuvor gesehen hatte, außer in seinem vermutlich vollkommen wahnsinnig gewordenen Hirn, ein Mädchen, das Wunden in ihm aufriss, an die er nie mehr erinnert werden wollte, und die Aussicht auf noch mehr Ärger. Er war tot! Großartig. Ein Hybrid! Das war doch das Allerletzte. Hätte er nicht ein Held sein können, eine Art Supermann oder so, der die Welt rettete? Düster dachte er an das Kostüm, das Mourier ihm zugedacht hatte, und empfand es in diesem Moment als Sinnbild für sein ganzes Leben. Knapp daneben ist auch vorbei, und wenn man eben statt eines muskelbepackten Superhelden ein zusammengeflickter Hybrid war, musste man sich mit Plüschgürteln und Seidentaft zufriedengeben.
    Er holte tief Atem. Seltsamerweise bewirkte sein Sarkasmus in dieser Situation nicht die Erleichterung, die er ihm sonst verschaffen konnte. Plötzlich fühlte Grim eine Erschütterung in sich, ein Beben, das sein ganzes bisheriges Ich in einen gewaltigen Scherbenhaufen verwandelte. Zum ersten Mal in seinem Leben erfuhr er, was es bedeutete, in heillose Finsternis zu stürzen.
    Da legte Pedro ihm die Hand auf den Arm. »Ja, du bist ein Zwischenwesen. Und damit hast du Möglichkeiten, die Menschen oder Gargoyles niemals besitzen werden, verfügst über Kräfte, die ich nur erahnen kann, und brauchst, wenn du lernst, mit deinen Talenten zu leben, statt sie zu verfluchen, nur noch weniges zu fürchten. Menschliche Leidenschaft gepaart mit dem kühlen Verstand der Gargoyles, übernatürliche Stärke, Empfindsamkeit, die Fähigkeit, Magie zu wirken — du hast alle Möglichkeiten, die Welt steht dir offen! Von heute an unterliegst du nicht mehr den Fesseln der Sonne. Du kannst in ihrem Licht gehen, wohin es dich zieht, und du wirst aus eigener Kraft träumen können! Du kannst alles sein und nichts, ist dir die Bedeutung dieser Worte eigentlich bewusst?«
    Grim senkte den Blick, als er über Pedros Worte nachdachte. Sein Leben lang hatte er in Zerrissenheit und Zweifeln gelebt — und mit einem Schlag ergab so vieles einen Sinn. Seine Liebe zu den Menschen und seine Sehnsucht nach ihnen. Seine aufbrausende Art, die manche als Leidenschaft bezeichneten und die so untypisch für einen Gargoyle war. Sein Humor, der nur von wenigen in der steinernen Gesellschaft überhaupt begriffen wurde. Und tausend Dinge mehr. Er war ein Hybrid — er stand dazwischen. Auf einmal musste er daran denken, wie es sein mochte, der Sonne ins Angesicht schauen zu können, ohne unter ihren Strahlen zu Stein werden zu müssen ... Ein seltsames Gefühl stieg in ihm auf, eine Mischung aus Übermut und Wahnsinn — es war das Glück. Fremd nistete es in seiner Brust und ließ ihn lächeln. Er ballte die menschliche Faust und betrachtete sie wie ein Kunstwerk.
    »Und noch eines darfst du nicht vergessen«, sagte Pedro leise. »Du kannst Seraphin besiegen, denn wie er wurdest auch du mit der Kraft der Zepter geschaffen. Auch du kannst über höhere Magie gebieten. Dafür musst du nur das Tor zu ihr öffnen.«
    Grim holte tief Atem. »Wenn wir schon einmal dabei sind«, murmelte er. Er erhob sich und ließ es zu, dass Pedro ihm die linke Hand an die Schläfe legte. Sofort fand er sich vor einem

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