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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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ich weiß, dass du darunter leidest. Selbst deine Freunde sind von dir getrennt, auch wenn sie die Sehnsucht kennen nach etwas, das diese Realität übersteigt. Doch sie fühlen nicht, was du fühlst. Sie ahnen nichts von der Anderwelt.«
    Das letzte Wort streifte Mia wie ein Schmetterlingsflügel. »Die Anderwelt«, wiederholte sie leise.
    »Die Welt ist mehr als das, was du bisher dachtest, dass sie sei«, fuhr Jakob fort. »Es existiert noch mehr, viel mehr, als normale Menschen sehen können. Eine Welt unter der Oberfläche, verborgen durch eine dünne, zitternde Haut, die nur wenige Menschen durchdringen können. Du, Mia — du kannst es.« Er lächelte. »Du bist eine Hartidin — eine Seherin des Möglichen.«

Kapitel 7

    erdammter Dreckswald! Wütend stampfte Grim zwischen den Bäumen des Jardin des Plantes hindurch. Er ging geduckt und mit verschränkten Schwingen, doch immer wieder blieb er im Blättergewirr der Zweige hängen, stieß gegen Äste und verhedderte sich hoffnungslos in jeder Art von Gestrüpp. Das erschrockene Wispern der Moostrolle tat seinen Ohren weh, ganz zu schweigen von den bronzenen Wächtern des Parks, die mit missbilligenden Blicken an ihm vorüberschlichen. Sie trauten sich nicht, ihn anzusprechen — immerhin war er ein Schattenflügler. Aber er ging jede Wette ein, dass sie noch in dieser Nacht bei Mourier Beschwerde über ihn einreichen würden. Nur im letzten Moment konnte er seine Klauen davon abhalten, einem im Dickicht versteckten Eichhörnchen durch einen ungeschickten Tritt die ewige Vernichtung zu bringen. Ausatmend blieb er stehen. Er war zu groß und zu alt für solche Sperenzchen. Aber er hatte keine Wahl. Er musste die Spur des Menschen finden. Mühelos hatte er dessen Fährte bis in diesen Park verfolgt, aber dann hatte es wieder angefangen zu regnen — ach was, zu
schütten.
In wenigen Sekunden war jede noch so deutliche Spur im wahrsten Sinne des Wortes weggespült worden. Deswegen hatte Grim sich in die Büsche begeben. Hier im einigermaßen Trockenen zwischen den Bäumen war der Duft des Menschen hängen geblieben wie feiner Nebel, da war Grim sich sicher. Aber wo genau? Er sog die Luft ein, langsam und zitternd. Ein Kaleidoskop an Düften ergoss sich in seine Lunge, er roch alle Pflanzen, jedes Tier und auch die Wesen, die sich sonst noch in den Baumwipfeln, Astlöchern und zwischen weichem Moos verbargen, er nahm sogar den Duft seiner eigenen steinkalten Haut wahr, obwohl es beinahe unmöglich war, einen Gargoylegeruch auszumachen. Aber von dem Menschen — nichts. Missmutig sah Grim sich um. Warum, zum Teufel, hatte es regnen müssen, ausgerechnet jetzt? Er würde Stunden brauchen, um in dem Wirrwarr an Bäumen und Büschen die Fährte wiederzufinden, von dem Chaos, das er dabei anrichtete, ganz zu schweigen. Ärgerlich schlug er gegen einen Ast und brachte ihn mit lautem Getöse zu Fall. Es hatte keinen Zweck. Er musste Hilfe holen. Seufzend schob er sich zwei Finger in den Mund und stieß in einem langen, tiefen Atemzug die Luft aus. Kein menschliches Ohr hätte den Ton hören können, der nun durch die Kronen der Bäume in die Nacht flog, und auch kein steinernes. Dieser Klang war für ein anderes Gehör bestimmt.
    Grim stand eine Weile regungslos. Dann setzte er sich auf den feuchten Boden und wartete. Missmutig ließ er sich noch einmal die Worte Moiras durch den Kopf gehen.
Wärest du älter und weiser ... Wer weiß, vielleicht würdest du es begreifen. Jetzt ist es zu früh. Es gibt Dinge, die man erfahren muss, um sie zu verstehen.
Lächerlich! Was, bitte schön, hatte er in seinem langen Leben noch nicht erfahren? Was konnte dieser mickrige Wurm von einem Menschen besser verstehen als er, der Schattenflügler?
    Je länger er darüber nachdachte, desto wütender wurde er. Wie konnte sie es wagen, mit einem Menschen ein Geheimnis zu haben und ihn, einen Freund ihresgleichen, davon auszuschließen? Er grub seine Klauen in die Erde, und da, mitten in seine Wut hinein, hörte er leises Flügelschlagen. Er spähte durch die Bäume, doch noch ehe er das helle grüne Licht genau hätte erkennen können, schwirrte es in irrsinniger Geschwindigkeit heran und kam erst eine Winzigkeit vor seinem Gesicht zum Stehen.
    Grim fuhr zurück und blinzelte. Im Lichtschein schwebte ein Kobold. Er hatte lange, spitze Ohren, wirres grünes Haar und ebenso grüne Haut, die von einer roten Latzhose bedeckt wurde. Eine riesige Knollennase saß unter wachsamen Augen, und als er

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