Grim - Das Siegel des Feuers
verschwammen vor seinem Blick. Er sah nur Jakob. Und der Junge schaute ihn an. Wie ein Blitz schoss der Ausdruck in seinen Augen in Grim hinein, er traf ihn mit einer Wucht, die ihm den Atem raubte. Trauer lag darin und Furcht und eine unnennbare Sehnsucht nach etwas, für das es keine Worte gab, und dann noch etwas, das Grim erst erkannte, als es zu spät war. Denn noch ehe auch nur ein Wort aus seiner Kehle gedrungen war, hatte Jakob eine Waffe gezogen und hielt sie sich an die Schläfe. Pfeilschnell schoss die Erkenntnis durch Grims Geist. Abschied war es. Abschied lag in Jakobs Blick. Grim brüllte, aber er hörte es nicht. Im nächsten Moment zerfetzte ein Schuss die Luft. Ein Riss ging durch Jakobs Augen, Grim konnte ihn hören wie berstenden Kristall. Gelähmt sah er, wie die Waffe aus Jakobs Fingern glitt und er nach vorn fiel.
Lautlos wie ein fallendes Blatt sank er in den Staub.
Kapitel 16
ange Schlangen hatten sich vor den Stahlbeinen des Eiffelturms gebildet. Unruhig stellte Mia sich auf die Zehenspitzen und schaute über die Köpfe der Wartenden hinweg. Sie war zu früh gekommen, fast eine Stunde, doch jetzt war es weit nach der Zeit, und Jakob war immer noch nicht da.
Ich hoffe, dass ich kommen kann.
Seine Worte hallten in ihr wider wie der Glockenschlag eines fernen Kirchturms. Immer wieder hatte sie in den vergangenen Tagen das Pergament hervorgeholt, aber die seltsamen Zeichen waren nur für kurze Augenblicke aufgetaucht. Schwer zog das lederne Bündel ihre Manteltasche nach unten, und es kostete sie ihre gesamte Kraft, nicht dennoch ständig nachzufühlen, ob es noch da war. Sie zog die Arme um den Leib.
Ich werde verfolgt. Ich werde versuchen, sie abzuschütteln.
Die Bedeutung dieser Sätze wurde ihr mit jedem Moment, den sie auf Jakob wartete, stärker bewusst.
Sie sah die Fratzen der Hybriden vor sich, die Kälte in ihren Augen. Sie hatten sie bis in ihre Träume verfolgt. Vergangene Nacht war sie plötzlich aufgewacht, als hätte sie jemand an der Stirn berührt. Für einen Moment hatte sie geglaubt, Jakob zu sehen — aber das Zimmer war leer gewesen. Das Päckchen pochte wie ein schlagendes Herz in ihrer Tasche.
Langsam wurde es dunkel, nebelhaft kroch die Dämmerung über das Marsfeld und brachte die Nacht mit sich. Der Platz unter dem Eiffelturm leerte sich. Menschen liefen an Mia vorbei, grau und gesichtslos. Sie selbst stand regungslos. Sie hatte einen Punkt am Horizont fixiert, einen hellen Fleck inmitten der aufkommenden Dunkelheit, und die Hände zu Fäusten geballt. Längst hatte die Angst sie wie eine steinerne Kruste überzogen. Sie konnte sich nicht bewegen, nicht einmal zittern konnte sie, obwohl ihr so kalt war wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Sie stand einfach da und stellte sich vor, Jakobs Schritte hinter sich zu hören.
Doch Jakob kam nicht.
Erst als es vollkommen dunkel war, setzte Mia sich in Bewegung. Vielleicht, so dachte sie, war Jakob bei ihr zu Hause und wartete dort auf sie. Vielleicht hatte er seine Verfolger loswerden können und traute sich nicht mehr vor die Tür. Vielleicht ...
Der Rückweg erschien ihr endlos. Atemlos rannte sie die Treppe zur Wohnung ihrer Mutter nach oben und stellte sich vor, er würde öffnen, schon bevor sie klopfte, so wie früher, als er noch zu Hause gewohnt, ihre Schritte erkannt und sie hereingelassen hatte. Für einen winzigen Moment durchströmte sie Wärme. Dann stand sie vor der Tür, und noch ehe sie sie öffnen konnte, hörte sie ein Poltern im Inneren der Wohnung. Ihre Mutter war um diese Zeit bei der Arbeit und Josi in ihrem Esoterik-Kreis. Ihr Herz machte einen Sprung.
Umso erschrockener war sie, als Josi ihr die Tür öffnete. Sie hatte rotgeweinte Augen und schniefte ununterbrochen. Und gleichzeitig war etwas anderes in ihrem Blick, etwas, das Mia das Blut aus dem Kopf zog. Sie wollte sich umdrehen und die Treppe hinablaufen, doch Josi fiel ihr in die Arme und zog sie in die Wohnung. Ihre Mutter lag auf dem Sofa im Wohnzimmer. Regungslos starrte sie an die Decke, die Augen aufgerissen wie bei einer Toten. Mia stand da wie erstarrt, hörte die Worte, die Josi ihr sagte, und spürte deren Hand auf der Schulter. Dann war es plötzlich still.
»Tot?«, fragte sie mitten hinein in das Nichts, das sie auf einmal umgab, das sie einschloss in einem Kokon aus Verzweiflung. Sie riss sich von Josi los, die hilflos die Hand nach ihr ausstreckte, wich zurück, taumelte aus der Wohnung und die Treppe hinab. Sie blieb stehen,
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