Grim - Das Siegel des Feuers
wandten die Köpfe — und da war der Junge. Er stand vor den Spiegeln, und auf seinem blassen, ausgezehrten Gesicht blühte ein Lächeln.
»Du willst uns also zum Narren halten«, zischte der Kahlkopf, während er seine ursprüngliche Gestalt wieder annahm. Grim zog die Schultern an bei dieser Stimme. Sie klang wie schmorendes Fett. Der Hybrid machte einen Schritt auf den Jungen zu. »Gib uns das Pergament!« Seine Stimme brach sich an den Spiegeln und wurde zu einem schrillen Kreischen verzerrt.
Da wurde das Lächeln auf dem Gesicht des Jungen kalt. Er neigte den Kopf, trat seinerseits einen Schritt auf den Hybriden zu und breitete beide Arme vom Körper aus, als wollte er zeigen, dass er keine Waffen trug. »Komm«, flüsterte er, und der Ton ging wie ein Schwerthieb durch die Stille. »Komm und hol es dir!«
Der Hybrid ließ die Knöchel seiner Finger knacken, grüne Funken sprühten über seine Hand. Er würde den Jungen zerschmettern! Grim hielt den Atem an. Schon hatte er die Faust ausgestreckt, um den Hybriden von den Füßen zu reißen, aber wieder hielt er inne, als er dem Jungen ins Gesicht sah. Dieses Flackern in den Augen, dieses düstere, beinahe grausame Licht ... Grim ließ die Faust sinken. Im selben Moment roch er es. Dieser Duft. Er sog die Luft ein, und die Erkenntnis flutete ihn wie Eiswasser. Petroleum. Schwarzes Petroleum. Schon sah er, wie das Parkett dort, wo die Hybriden standen, von schwarzer Flüssigkeit getränkt wurde. Zäh drang sie aus dem Boden und hatte in rasender Geschwindigkeit ein Pentagramm gebildet, das die Hybriden in seiner Mitte einschloss. Der Kahlkopf sah als einer der Ersten auf seine Füße, zäh blieb die Flüssigkeit an seinen Sohlen haften, doch er kümmerte sich nicht darum.
»Du ...«, brüllte er und riss die Faust in die Luft.
Da hob der Junge die Hand. Ein Zucken ging durch seinen Blick, dann schnippte er mit den Fingern. Ein schwarzer Funke sprang dem Kahlkopf vor die Füße — und steckte ihn umgehend in Brand.
Grim umfasste die Tür mit beiden Klauen. Das Pentagramm stand in Flammen, die Hybriden starrten ungläubig auf das Feuer, das sich gierig auf ihre Körper warf.
»Schwarzes Petroleum«, murmelte Grim. Wenn es etwas gab, das jedes lebendige Wesen fürchten musste, ganz gleich, ob es aus Stein und Gedanken bestand, aus Fleisch und Blut oder aus Nebel und Rauch, dann war es dieses schwarze Gift. Es verbrannte jeden Körper, es kroch in jeden Geist, und es zerfraß alles, was es finden konnte. Es war nicht einfach, dieses Feuer zu kontrollieren, offensichtlich hatte der Junge sich vorbereitet. Und er hatte sein Ziel fast erreicht.
Die Flammen wurden zu wunderschönen Frauen, sie traten auf ihre Opfer zu, die hustend den Rauch einatmeten, der sie umgab, sie winkten den Hybriden, und bald warf sich der erste in ihre Arme. Grim sah, wie sie ihm über die Haut strichen, wie sie ihm das Fleisch von den Knochen schälten, ohne dass er es bemerkt hätte. Dann stießen sie ihn von sich, zurück ins Bewusstsein, er starrte auf seinen zerfressenen Arm und hielt sich die Gedärme, die ihm aus dem Leib quollen. Er schrie wie wahnsinnig, aber im gleichen Moment schlugen die Flammen über ihm zusammen und verbargen die Hybriden vor Grims Blick. Der Boden knackte, wo das Feuer loderte und fraß. Tosend brach er ein, und die Hybriden stürzten in die Tiefe.
Grim atmete schwer. Der Gestank des magischen Feuers war ekelerregend. Er starrte auf das riesige Loch im Boden. Dann wandte er sich dem Jungen zu.
Dieser Zauber hatte ihn fast seine letzte Kraft gekostet, das konnte Grim sehen. Er hielt sich an der Wand fest, seine Finger hinterließen feuchte Abdrücke an den Spiegeln. Entschlossen trat er in den Raum. Der Junge fuhr so heftig zusammen, dass Grim stehen blieb, und bewegte sich unerwartet schnell von ihm weg. Die linke Hand hatte er wie zum Fluch erhoben, als er vor dem Kamin Aufstellung nahm. Grim stieß die Luft aus. Der Kleine wollte tatsächlich gegen ihn antreten! Aber da war noch etwas in seinem Blick, ein Suchen und Zögern. Langsam trat Grim näher, bis er zwischen dem Krater im Boden und dem Jungen zum Stehen kam.
»Mein Name ist Grim«, sagte er so sanft wie möglich. »Wie heißt du?«
Der Junge starrte ihn aus großen schwarzen Augen an. »Jakob«, sagte er leise.
Grim hatte selten eine solche Erleichterung gefühlt wie in dem Moment, da der Junge zu ihm sprach. Er wusste selbst nicht, warum. »In Ordnung«, fuhr er fort. »Ich will dir nichts
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