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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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unfähig, sich zu rühren.
Er ist tot,
hallte es in ihrem Kopf wider, geschrien von unzähligen Stimmen. Sie starrte ins Nichts und spürte, wie ihr Tränen in die Augen schossen, aber sie konnte nicht weinen. Sie sah sich von außen wie eine Puppe, gelähmt und starr. Das Licht im Treppenhaus erlosch, sie stand im Dunkeln und merkte es nicht, sie spürte gar nichts mehr, außer dem Abgrund in ihrem Inneren, das Schwert, das plötzlich durch ihre Brust glitt und alles in ihr zerriss, mit einem einzigen Schlag.

Kapitel 17

    s war Nacht, doch Paris schlief nicht. Das Leben pulsierte in jeder Straße, in jedem erleuchteten Fenster, in jeder überfüllten Kneipe. Es rauschte Grim in den Ohren, so laut war es, selbst hier unten in den Gewölben des
Zwielichts.
Graue Gestalten schoben sich an seinem Platz in der Ecke vorbei, ohne dass er sie bemerkte. Das Leben brandete als reißender Strom an ihm vorüber, und er stand am Ufer und starrte in die Fluten. Aber er sah nichts. Von Zeit zu Zeit zuckte er zusammen, als hätte ihn etwas erschreckt, er blinzelte, als würde er genauer hinsehen wollen, aber das, was er erblickte, waren nicht die rauchgefüllten Gewölbe des
Zwielichts.
Er sah ein Gesicht, ein blasses Gesicht mit verzweifelten Augen, sah blondes Haar, das sich im Wind bewegte, sah Staub, der an einer zarten weißen Hand klebte, und das Lächeln eines Toten. Er hörte den letzten Atemzug, roch den metallischen Duft von menschlichem Blut, sah das aschfahle Grau, das über den eben noch lebendigen Körper kroch wie ein Nebel aus Gift.
    Und dann, immer wieder, der Schuss. Kreischend hatte er das Leben des Jungen zerfetzt und Grim in seinen Grundfesten erschüttert, so sehr, dass er nicht stehen konnte, ohne zu schwanken. Wieder stand er im Dämmerlicht des Spiegelsaals, wieder stürzte er sich durch die Starre, die nach dem Schuss über den Hybriden gelegen hatte, vor zu dem Jungen. Wieder hob er ihn hoch, floh mit ihm durch die Fenster, trug ihn auf seinen Armen durch die Nacht. Wieder spürte er den schwachen, blutenden Körper, der kein Leben mehr in sich trug, und fühlte das weiche Haar an seiner Wange. Wieder zog er vor dem Neonlicht der Notaufnahme seinen Mantel aus und bettete den Jungen darauf. Und wieder raste er durch die Nacht, den Regen wie brennende Funken auf seiner nackten Haut, und fühlte nichts mehr.
    Schwerfällig fuhr er sich über die Augen. Das Wirrwarr seiner Gedanken war einer beklemmenden Leere gewichen, einem Nichts, in dem tonlos und unveränderlich eine Folge von Wörtern widerhallte: Warum hatte Jakob das getan? Warum?
    Da hörte Grim ein Lachen, es durchzog die Stille in ihm wie das Geräusch von schmorendem Fett. Auf der Stelle erwachte er aus seiner Lethargie. Sein Blick glitt suchend durch den Raum, und dann sah er ihn: Nicht weit von ihm entfernt, lässig an einer Säule lehnend, stand der kahlköpfige Hybrid. Sein Umhang war von einer dunklen Flüssigkeit besudelt. Erst auf den zweiten Blick stellte Grim fest, dass es Blut war. Der Hybrid unterhielt sich gerade mit einer Dryade und schien ihn nicht bemerkt zu haben. Grim zog sich in den Rauch der Wasserpfeifen zurück, ohne den Kahlkopf aus den Augen zu lassen. Er hatte den Jungen gehetzt, vielleicht hätte er ihn getötet, wenn Jakob ihm nicht zuvorgekommen wäre. Aber vorher ... Ja, vorher hätte der Kerl herausgefunden, wo sich das Paket befand, das der Junge offensichtlich nicht bei sich gehabt hatte. Hatte Jakob sich deswegen das Leben genommen? Um den Hybriden daran zu hindern, seine Erinnerung zu lesen und damit dem Paket auf die Spur zu kommen?
    Grim zog die Brauen zusammen. Wenn er nur wüsste, was es mit diesem Paket auf sich hatte! Vielleicht hätte Moira es ihm erzählt, wenn er nicht so abweisend und stur gewesen wäre. Jetzt hatte er keine Möglichkeit mehr, die Wahrheit herauszufinden, es sei denn ... Düster heftete sich sein Blick auf den Kahlkopf, der gerade an seinem Tisch vorbeiging, ohne ihn zu sehen. Entschlossen schob Grim seinen Stuhl zurück und folgte ihm.
    Der Kahlkopf hatte fast die Treppe erreicht, als er stehenblieb. Mit einem Ruck wandte er sich um und sah Grim in die Augen. Ein Schreck flackerte über sein Gesicht, dann ein höhnisches Grinsen. Im nächsten Moment fuhr er herum, flog über die Köpfe der Umstehenden hinweg und raste die Treppe hinauf.
    Grim sprang ihm nach, so schnell er konnte, doch als er das Dach erreicht hatte, war der Hybrid verschwunden. Er legte den Kopf in den Nacken und

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