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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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ihn hingerichtet. Aber wer?
    Grim trat in die Nähe der Flammen. Sie hatten ihr Opfer gefunden, ihm drohte keine Gefahr. Mit einer Bewegung seiner Klaue durchbrach er die Linie des Kreises. Die blauen Flammen flackerten und versiegten. Grim beugte sich über den Toten und holte tief Atem. Es gab nur eine Möglichkeit herauszufinden, was passiert war. Entschlossen stieß er die Faust vor und riss dem Hybriden das Herz aus der Brust. Ohne sich noch einmal umzusehen, verließ er die Fabrik und stürzte sich in die Kühle der Nacht.
    Wenig später landete er in einem schäbigen Hinterhof. Ein Obdachloser schlief unter nassen Zeitungen und murmelte vor sich hin. Überall lag Müll. Grim hatte das Herz des Hybriden in ein Tuch gewickelt. Jetzt drehte sich das Bündel bei jeder Bewegung wie ein lebendiges Wesen in seiner Hand. Angespannt betrachtete er den flackernden Neonschriftzug des Tattoostudios, das direkt vor ihm lag. Das Schaufenster war mit Sprühfarbe beschmiert worden, die Eingangstür hatte keinen Griff. Grim stieß die Luft aus. Hier kam niemand her, der ein Tattoo haben wollte. Und wenn doch — ging er niemals wieder fort.
    Er holte tief Luft. Lange genug hatte er sich diesen Gefallen aufgehoben — jetzt war es an der Zeit, dass er ihn einlöste. Entschlossen klopfte er gegen die Tür. Ein Geräusch erklang wie das Zusammenfallen von einem riesigen Kartenhaus, und die Tür öffnete sich einen Spaltbreit. Auf der Stelle wurde es eiskalt in dem Hof, der Obdachlose stöhnte im Schlaf, und selbst Grim zog fröstelnd die Schultern an. In der Tür schwebte ein Männchen mit silbernen Flügeln. Es war etwa so groß wie eine Heuschrecke und trug einen zu kleinen leuchtend roten Samtanzug. Auf seinem Kopf saß ein Zylinder in derselben Farbe, und sein Gesicht sah aus, als wäre ihm jemand mit einem Messer hindurchgefahren. Sein rechter Mundwinkel ging in eine blasse Narbe über und reichte bis zu seinem Ohr. Das Schlimmste aber waren seine Augen. In feinen Stichen hatte sie jemand mit schwarzem Garn zugenäht. Das Männchen starrte Grim durch die Lider an. Unwillkürlich fuhr dieser sich mit der Hand an die Augen.
    »Ich bin gekommen, um eine alte Schuld zu begleichen«, sagte er heiser.
    Das Männchen nickte und schlug ihm die Tür vor der Nase zu. Wenig später — Grim hatte in der Zwischenzeit in dem schäbigen Hinterhof herumgestanden wie bestellt und nicht abgeholt — öffnete sich die Tür wieder. Niemand war zu sehen. Grim trat ein. Vor ihm lag ein Tunnel. Die Decke hing so niedrig, als würden Tonnenlasten auf ihr ruhen. Sie trug rostige Rohre, aus denen eine zähe Flüssigkeit tropfte. Eine einzelne Glühbirne flackerte in sterbendem Licht. Am Ende des Ganges lag eine geschlossene Tür. Rotes Licht kroch unter dem Spalt hervor.
    Entschlossen ging Grim darauf zu. Ratten sprangen ihm vor die Füße, sie schienen zu grinsen, aber er beachtete sie nicht. Etwas tropfte ihm auf die Schulter. Es war Blut. Angewidert umgab er sich mit einem Schutzschild. Die nächste Tür öffnete sich mit einem Geräusch, das wie das Mischen eines Kartenspiels klang. Er befand sich in einem Schlachthaus, aber an den Fleischerhaken hingen keine Rinder- oder Schweinehälften. Es waren Menschen, die dort ausbluteten. Meist fehlten ihnen Kopf und Hände. Jemand hatte ihnen die riesigen Haken in den Rücken gebohrt und sie mit den Füßen zur Decke aufgehängt. Unter ihnen standen metallene Schüsseln. Das tropfende Blut hörte sich an wie Regen auf Autodächern. Grim spürte, wie sein Magen sich zusammenzog, und er hörte auf zu atmen. So schnell er konnte, lief er über den rutschigen Boden und stolperte prompt über eine Schüssel mit Blut. Gerade noch konnte er einen Sturz verhindern. Im nächsten Moment stand er vor einem kleinen Mädchen. Sie trug ein schneeweißes Nachthemd und war barfuß.
    »Spiel mit mir!« Mit einem Lächeln griff sie nach seiner Hand. Doch kaum hatten ihre Finger seine Klaue umfasst, verwandelte sich ihr Gesicht. Ihre Augen traten aus den Höhlen, ihre Haut wurde faltig und grau, die Lippen zogen sich von den Zähnen zurück, die im Zeitraffer anfingen zu faulen. Wieder lachte das Kind, aber es klang wie eine zu oft gespielte Schallplatte. Grim riss seine Klaue zurück.
    »Kartenmann!«, brüllte er. »Du stehst in meiner Schuld! Begleiche sie!«
    Kaum hatte er das gesagt, öffnete sich eine weitere Tür mit dem Geräusch von Karten, wenn sie ausgeteilt werden. Ohne auf das uralte Kind zu achten, stampfte

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