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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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murmelte er. Dann hob er den Blick. »Da ist noch etwas. Als ich Seraphin zum ersten Mal begegnet bin, hatte ich während einer Trance eine Art Vision, wie eine Erinnerung an ein gemeinsames Erlebnis. Er muss etwas Ähnliches empfunden haben, denn er ist vor mir zurückgewichen — als hätte er in meinen Gedanken etwas gefunden, das ihn beunruhigte.«
    Der Kartenmann musterte Grim schweigend. Dann beugte er sich weit über den Tisch. Seine linke Hand krallte sich in das Herz, es zuckte noch einmal, dann lag es still.
    »Ich kann das klären«, flüsterte der Kartenmann. »Wenn du mich einen Blick in dein ... Innerstes werfen lässt.«
    Grim stieß die Luft aus und schüttelte den Kopf.
    »Sei vorsichtig, Kartenmann«, grollte er. »Sei vorsichtig mit deiner Gier.«
    Er erhob sich und stellte zu seiner Verwunderung fest, dass hinter ihm eine Tür lag, die sich nun mit dem Geräusch des leisen Flatterns eines Kartenspiels öffnete.
    »Es schmerzt mich, dich so hoffnungslos zu sehen«, sagte der Kartenmann mit einem grausamen Lächeln. »Deshalb sage ich dir noch etwas: Sie bereiten sich auf etwas vor. Sie stärken sich, das hast du erfahren — für was, weiß ich nicht, aber es wird etwas Großes sein. Etwas sehr Großes. Du wirst nichts, gar nichts dagegen tun können. Und dein letzter Gefallen — ist tot!«
    Im nächsten Moment fühlte Grim sich von einem heftigen Schlag getroffen. Er flog durch die Luft und landete neben dem Obdachlosen in dem eiskalten Hinterhof. Die Tür schlug zu, aber das Lachen hörte er noch, als er längst über die Dächer von Paris flog — das teuflische Lachen des Kartenmanns.

Kapitel 18

    ia schaute zu den schweren Wolken hinauf, die über den Friedhof zogen wie ein Schwarm riesiger Krähen.
Wenn es nur regnen würde.
Dann hätte sie das Schluchzen ihrer Mutter nicht ertragen müssen, das leise Murmeln von Josi und das Knirschen der Seile beim Herablassen des Sarges. Hinter ihr standen ein paar Kommilitonen von Jakob. Er hatte nie viele Freunde gehabt — nicht in dieser Welt. Die Eiche über ihnen rauschte, als sänge sie ein Totenlied. Zwei Birken in der Nähe fielen mit zitternden Blättern in die düstere Weise ein.
    Sie starrte auf den Sarg und konnte für einen Moment nicht glauben, dass Jakob tatsächlich darin lag. Sie stellte sich vor, wie es sein musste, lebendig begraben zu werden, wie still es wohl war tief unten in der Erde. Sie dachte merkwürdige Dinge, fast so, als wäre sie gar nicht da, als würde ein Fremder an ihrer Stelle hier am Grab ihres Bruders stehen und unbeteiligt die Zeremonie verfolgen. Aber sie wusste, dass sie da war. Sie spürte es an dem Knoten in ihrem Brustkorb, diesem Gewächs aus Eis, das sie daran hinderte zu weinen.
    Mit dumpfem Geräusch setzte der Sarg auf feuchter Erde auf. Die Träger zogen die Seile scharrend unter ihm weg. Ein dicker Pfarrer mit ungesunder Gesichtsfarbe, der die ganze Zeit mit gekünstelter Betroffenheit auf den Sarg geschaut hatte, räusperte sich. Mia verschloss sich vor ihm. Sie wollte nicht hören, wie ein Fremder über ihren Bruder sprach, sie wollte überhaupt nichts hören. Die Geräusche verstummten um sie herum. Nur den Wind hörte sie noch, der leise und flüsternd um ihre Wangen strich — und Jakobs Stimme.
    Ich werde verfolgt.
Die Gesichter der Hybriden hatten sich in Mia eingenistet wie ein Geschwür. Er war ihnen nicht entkommen. Wieder und wieder hatte sie versucht, sich die letzten Augenblicke seines Lebens vorzustellen, doch es war ihr nicht gelungen. Sie wusste nur eines: Jakob hatte sich das Leben genommen, um die Spur zu ihr zu unterbrechen. Um sie zu schützen — und das Paket. Ihr wurde übel, als sie an den Geruch des Leders dachte und an die verschlungenen Zeichen auf dem Pergament. Sie bargen ein Geheimnis, für das Jakob gestorben war — und sie würde nie erfahren, welches. Und noch etwas gab ihr Rätsel auf: Jakob war vor der Notaufnahme des Hôpital des Quinze-Vingts gefunden worden — gebettet auf einen schweren schwarzen Mantel. Wer hatte ihren Bruder zum Krankenhaus gebracht? Wem gehörte dieser Mantel? Langsam atmete sie ein. Es war sinnlos, darüber nachzudenken. Jakob war tot.
    Kaum hatte sie das gedacht, flimmerte etwas in ihrem Augenwinkel. Sie hob den Kopf und sah, dass die Luft zwischen den Birken flackerte, als wäre am Boden ein Feuer entfacht worden. Keiner der Trauergäste bemerkte es. Sie standen nebeneinander wie verschlossene Gefäße und sahen oder fühlten nichts als den

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