Grim
Boden. Die flammenden Fäuste der Rekruten rasten auf ihn zu, doch noch ehe er einen Schutzzauber wirken konnte, brach ein Schatten über sie herein. In rasender Geschwindigkeit schlug er ihnen eine diamantene Fessel vor die Brust, zog Grim auf die Beine und riss ihn mit sich.
Du bist ein Kind , raunte Samhur, als er mit ihm durch den Zug eilte, so schnell, dass Grim der Atem stockte. Glaubst du, dass Verus nicht weiß, welche Macht du in dir trägst? Glaubst du, dass er nicht alles versuchen wird, um dich am Durchkreuzen seiner Pläne zu hindern?
Grim wollte sich befreien, aber der Jäger hielt ihn mit eiserner Faust gepackt. Kronk ist mein Freund, grollte er und fühlte seinen Pulsschlag schmerzhaft in seinen Schläfen. Und abgesehen von den beiden Rekruten war er allein. Ich habe andere Dämonen bezwungen als einen Khan, ich …
Dieser Dämon ist ein Khan des Sherezar , unterbrach ihn Samhur mit donnernder Stimme. Ein Diener jenes Wüstenkönigs, der jeden seiner Schergen teilhaben lässt an seiner Macht. Sherezar ist der Tod des Berstenden Meeres, die Glut der Sonne und des Mondes, er nahm teil am Massaker von Grhrokol, und du willst ihn einfach so bezwingen? Was glaubst du, warum wir auf der Suche sind nach einem Fhar’al Brunkur? Du kannst deine Freunde nicht befreien, als wärest du ein Gott!
Er sagte noch mehr, doch Grim hörte ihn kaum. Alles, was er wahrnahm, war Remis’ Herzschlag an seinem Hals, der eisige Wind des Tunnels, der sie empfing, als sie in die Finsternis flohen – und der Ausdruck in Kronks Gesicht, der ihm nachging, diese stumme und haltlose Verzweiflung, als der Dämon erneut die Kontrolle übernommen hatte. Grim weigerte sich, den Schmerz seines Gefährten loszulassen. Immer wieder sah er ihn zurückstürzen in die Schatten, in die der Khan ihn geschleudert hatte, immer wieder sah er die Hoffnung in Kronks Blick, er war seinem Freund so nah gewesen, so verflucht nah. Doch die Schatten hatten ihn aus seinen Klauen gerissen. Und er war nicht stark genug gewesen, um ihn festzuhalten.
Kapitel 28
Ein Himmel ohne Sterne thronte über den Dächern der Stadt.Es war ein Prag lang vergangener Zeit, das sich hinter dem Haus zur Letzten Laterne verbarg, ein Prag, dessen Straßen von Gaslichtern erhellt wurden, in dem es keine Autos gab und keine gewöhnlichen Menschen, ein Prag, in dem jeder Kiesel zu raunen begann, wenn man sich die Zeit nahm, ihm zuzuhören, und dessen Häusern ein goldener Schimmer anhaftete, der die Stadt leuchten ließ wie ein versunkenes Kleinod.
Mit tastenden Geisterfingern zog der Nebel durch die Gassen Kleinseites, verschlang das Licht, das aus den Wohnungen fiel, und strich über Mias Gesicht, als wollte er ihre Konturen verwischen wie die Linien einer Zeichnung. Radvina und Edwin hielten sich in ihrer Nähe, selbst Jaro blieb nicht mehr als einige Schritte zurück. Offensichtlich hatte die Warnung des Hermaphroditen ihre Wirkung nicht verfehlt. Lyskian ging ihnen voraus. Der Nebel ließ seine Gestalt noch dunkler erscheinen, als sie tatsächlich war. Er hatte kaum ein Wort gesprochen, seit sie ins unsichtbare Prag gelangt waren, und Mia wusste, dass es nicht ratsam war, ihn anzusprechen, wenn er in düsterer Stimmung war.
Bathelon Raeghar, hatte er auf Ànth’karya gesagt, als der Nebel dieser Stadt sie empfangen hatte. Yrensis Bhraka in der Sprache der Anderwelt, Schwarzes Petroleum in der Sprache der Menschen. Das Gift der Sterne und des Mondes, der Ruf der Dämmerung in tiefschwarzer Nacht und das Blut der Schatten in all ihrer Bosheit und Verlorenheit – das Herz der tiefsten, der schrecklichsten Träume der Welt. Wo bekommt man ein solches Herz, könnt ihr es euch vorstellen? Er hatte die Hartide ohne jedes Lächeln angesehen und eine Antwort nicht abgewartet. Bei einem Khareo Lhumis, hatte er gesagt. Einem Sammler der Träume.
Gelassen, beinahe beiläufig hatte seine Stimme geklungen, doch das Flackern in seinem Blick hatte Mia schaudern lassen. Sie wusste, dass es alles andere als einfach sein würde, Schwarzes Petroleum zu bekommen. Sie kannte Traumsammler aus Ghrogonia, mächtige Magier und Alchemisten, die unter dem strengen Auge Mouriers ihres Amtes walteten, sie hatte auch von den Khareo Lhumis der Karpaten gehört, blinde Untote mit mächtigen Schwingen, die in den Raunächten über die Dörfer der Menschen kamen und die Träume der Neugeborenen stahlen, um die eigene Existenz zu verlängern, und Grim hatte nicht nur einmal mit finsterer Miene
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