Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
Vom Netzwerk:
abgelehnt, sie zu einem Traumsammler der Nachtmärkte mitzunehmen, meist Hexer, Wahrsager und Totenbeschwörer in einer Person, die in unregelmäßigen Abständen jenseits der Hauptstadt ihr Lager aufschlugen und gegen eine entsprechende Bezahlung Träume aus aller Welt zu bieten hatten. Träume sind gefährlich , hatte Grim gesagt und sie mit diesem undurchsichtigen Blick angesehen, der sein Gesicht in Schatten hüllte und für einen Wimpernschlag stets sein wahres Alter erkennen ließ. Und diejenigen, die Geschäfte mit ihnen machen, sind es noch mehr, denn sie handeln mit etwas, das niemand jemals ganz begreifen wird, und tun dabei so, als würden sie alles darüber wissen. Nicht selten ist es vorgekommen, dass ein leichtgläubiges Anderwesen in den Fängen eines Khareo Lhumis sein Leben verloren hat.
    Mia ließ die kühle Nachtluft in ihre Lunge fließen. Sie hätte gern mehr über den Traumsammler erfahren, zu dem sie auf dem Weg waren, aber Lyskians Miene blieb verschlossen, und so drängte sie die Anspannung zurück und betrachtete die Gestalten, die ihnen begegneten. Menschen waren es, die mit rußbedeckten Gesichtern Waren auf Holzkarren über das Pflaster transportierten und sie aus dunklen Augen ansahen wie eine ferne Erinnerung, aber auch Gnome, Geister und Vampire, deren Stimmen sich mit dem Rauschen des Flusses verbanden, der sich in tiefem Grün durch die Stadt wälzte. Vereinzelt durchzogen Gargoyles die Luft mit ihren Schwingen, und ihr Lächeln ließ Mia an das Seufzen uralter Bäume denken, die sich im Sturm bogen. Eine seltsame Dumpfheit lag über allem, die Mia an die Geräusche in einem Traum erinnerten, jeder Ton, jeder Windhauch schien erst durch ihre Gedanken Wirklichkeit zu werden – als wäre sie selbst die schwarze Katze, die auf eine zerbrochene Mauer sprang, oder der Geisterschwarm, der dicht über den Dächern dahinflog und sich mit dem Rauch der Schornsteine verband. Sie sah ihr Gesicht in den dunklen Fensterscheiben mancher Häuser, doch gleichzeitig betrachtete sie sich, als würde sie selbst im Inneren der Wohnungen stehen und zu dem schwarzgekleideten Mädchen auf der Straße hinausschauen, das staunend wie ein Kind ein Teil des Rätsels wurde, das es umgab. Diese Stadt war ein Geheimnis, das sich selbst schützte, und sobald Mia versuchte, ihm auf den Grund zu gehen, entzog es sich ihr. Die Geheimnisse der Welt offenbaren sich nur demjenigen, der bereit ist, sich von ihnen verwandeln zu lassen , hatte sie einmal irgendwo gelesen, und so drängte sie die bohrenden Gedanken beiseite, drehte ihre Handgelenke nach vorn, so dass der kühle Wind ihren Puls umschloss, und hörte auf den Atem der Stadt – staunend und ohne nach Antworten zu suchen. Vielleicht, so dachte sie, war jedes Geheimnis eine Frage, die von ihrer Antwort ausgelöscht wurde.
    Nach einer Weile begann sich auf einmal der Boden unter ihren Füßen zu verändern. Die Steine schmolzen in sich zusammen und wurden zu feinem, grauen Kies, der sich knisternd die Häuserwände hinaufzog. Die Gebäude verwandelten sich in Bauten aus dunklem Sand, und Edwin sprang zur Seite, als eine brennende Kutsche von hinten heranpreschte und ein kopfloser Mönch ihnen aus dem Inneren zuwinkte. Spukgestalten glitten aus den Häusern, Schatten tanzten in den Hinterhöfen und Mia schien es, als würden sie durch rasch wechselnde Szenenbilder einer Stummfilmproduktion laufen.
    »Es sind die Träume«, sagte Lyskian. »Sie scharen sich um jenen, der sie sucht – verlorene Gedanken, nagende Ängste, vergessene Schrecken. All das, was in der Realität zwischen Schlaf und Wachen verklingt und allzu oft vom ersten Licht des Tages verzehrt wird, hat an diesem Ort seinen festen Platz.«
    Gerade wollte Mia etwas erwidern, als Edwin einen erstickten Schrei ausstieß. Eine Gestalt hatte sich aus der Fassade eines Hauses gelöst, es war ein Clown mit messerscharfen Krallen. Schon griff er nach Edwins Schulter, aber bevor sie etwas hätte tun können, sprang Radvina vor, stieß dem Angreifer das Knie zwischen die Beine und stach ihm die Daumen in die Augen. Blaue Funken strömten dabei über ihre Finger, erschrocken schrie sie auf – doch der Clown zerstob zu wirbelndem Sand. Fassungslos starrte Radvina auf ihre Hände, und als sie den Blick hob und Mia ansah, glitt ein zaghaftes Lächeln über ihre Lippen.
    »Selbstverteidigungskurs für Frauen«, sagte sie und hob die Schultern. »Aber das mit den Funken habe ich dort nicht gelernt.«
    Mia erwiderte

Weitere Kostenlose Bücher