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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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umtoste. »Du bist nie ein Narr gewesen wie ich!«
    Er wusste nicht, ob es die Asche war, die seine Augen tränen ließ, als er auf die Knie fiel und das Gesicht in den Klauen verbarg.
    »Das ist wahr«, sagte eine Stimme hinter ihm.
    Noch nie war Grim so schnell auf die Beine gekommen, und als er Remis mit verkohlten Haaren und flackerndem Licht in den rußgeschwärzten Händen hinter einem Mauerstück hervorkriechen sah, entwich ein so derber Fluch seinem Mund, dass er husten musste. Eilig stürzte er auf den Kobold zu und drückte ihn heftig gegen seine Brust. Remis röchelte, aber als Grim ihn losließ, lag ein Lächeln in seinen Augen.
    »Eins ist sicher«, sagte Grim. »Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Kobold einen Rhak’ Hontay und einen Schattenflügler vor dem Tod bewahrt. Vielleicht solltest du Rosalie davon erzählen. Ich wäre stolz auf dich … wenn ich sie wäre.«
    Remis’ linkes Augenlid zuckte verdächtig. »Ich bin ein Krieger der Grünen Faust«, erwiderte er, und zum ersten Mal konnte Grim nicht den Hauch einer Lächerlichkeit in diesen Worten erkennen.
    »Ja«, sagte er ernst. Remis zwinkerte, als würde er einen versteckten Spott in Grims Worten vermuten, doch dieser lächelte nur und fügte hinzu: »Und mehr als das.«
    Und da verwandelte sich das Lächeln auf Remis’ Lippen zu einem strahlenden Grinsen. »Unterschätze niemals einen Kobold auf einer Mission«, sagte er und wischte sich über die Augen, die ebenfalls tränten – vermutlich von der verfluchten Asche. »Es steckt mehr in uns, als ein Steinkopf wie du ahnen kann.«
    Grim nickte. Verflucht, er hatte diesen grünen Kobold gern. Hätten die widerlichen Spinnenviecher es gewagt, ihn mit ins Jenseits zu reißen, hätte er sie eigenhändig wieder daraus hervorgezerrt, und dann hätten sie erleben können, was ein wirklich qualvoller Tod bedeuten konnte, so viel …
    Es war die Kälte eines Schattens, die seinen Gedanken zerriss. Eisglühend legte die Dunkelheit sich auf seine Stirn und zog seinen Blick hinüber zu den steinernen Wällen, die in tiefschwarzem Licht glommen. Samhur kniete davor, seine Hand ruhte auf den rissigen Steinen. Hinter ihm ragten nicht mehr die undurchdringlichen Schatten auf, die Grim gerade noch gesehen hatte. Hinter dem schwarzen Licht des Jägers, umgeben von den Klauen des Ewigen Steins, erhob sich Kharamon – die Feste des Zorns.

Kapitel 32
    Die Synagoge stand in der Dämmerung wie ein Gebilde aus einem Traum. Seltsam fremd erhob sie sich zwischen den Häusern, als wäre sie ein Dorn, der durch die dünne Haut der Wirklichkeit stach und von einer anderen Welt erzählte – einer Welt mit tiefschwarzen Flüssen und flüsterndem Wüstensand. Es war, als würde sie nur darauf warten, die Stadt ringsherum mit ihrem Geruch von Alter und Geheimnis zu fluten, um sie zu verschlingen. Angespannt blieb Mia neben den anderen vor der Eingangstür stehen. Sie rechnete damit, eine plötzlich aufkeimende Furcht zurückdrängen zu müssen, die angesichts dieses Gebäudes übe r sie kommen wollte, doch kaum, dass sie den Blick in die Dunkelheit richtete, die sich auf der anderen Seite der Fenster flügelgleich gegen das Glas drückte, kehrte sich ihr erster Eindruck um. Auf einmal erschien es ihr, als wäre die Synagoge der einzige reale Platz in dieser Welt, ein Raum, der die Wirklichkeit, die ihn umgab, aus sich selbst heraus gebar und sie formte wie die allererste Idee einer Geschichte.
    VerwirrtfuhrMiasichmitderHandüberdieAugenundsahandenGesichternderHartide,dasssienichtalleinvonsolchmerkwürdigenGedankenbefallenwordenwar.Lyskianhingegenlächeltekaummerklich. Der Legende nach trugen Engel nach der Zerstörung Jerusalems Teile von Salomons Tempel an diesen Ort. Könnt ihr ihn wahrnehmen, den Duft von zermahlenen Steinen und Rauch, der aus den Mauerritzen dringt? Könnt ihr sie spüren, die Ferne, die zu euch spricht?
    Mia hörte Edwin staunend die Luft einsaugen, als tatsächlich ein feiner Duft um sie herumstrich, der von Wüstensonne kündete und von Schweiß und Tränen. Sie lächelte. Es wunderte sie nicht, dass Lyskian sie hierhergeführt hatte auf ihrer Suche nach der Seele Prags. Vermutlich verbarg sich hinter diesem Namen ein Zauber, den sie nur an einem Ort wie diesem erhalten konnten.
    Kaum hatte Lyskian angeklopft, zerbrach die Dunkelheit auf der anderen Seite in flackerndem Kerzenschein. Eine kleine, gebeugte Frau näherte sich der Tür, und als sie die Kerze in ihrer Hand dicht vor das Fenster

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